In den letzten Jahren suchen immer mehr Kinder und Jugendliche aufgrund psychischer Probleme und Suchterkrankungen professionelle Hilfe. Wie dramatisch die Situation in Österreich mittlerweile ist, zeigte Dr. Paul Plener, MHBA, im Gespräch mit PERISKOP. Das Thema wird auch bei den PRAEVENIRE Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten, sowie bei den heurigen PRAEVENIREGesundheitsgesprächen am Fuße der Rax aufgegriffen.
Mag. Sophie Brunnhuber, BA
Gesundheitsjournalist
Weltpolitische Krisen, wie der Krieg in der Ukraine oder der Klimawandel und fehlende
Zukunftsperspektiven, wirken sich sehr stark auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen aus und verstärken Zukunftsängste. „Die Belastungen, die Jugendliche im 21. Jahrhundert bewältigen müssen, sind enorm“, erklärte Dr. Paul Plener, MHBA, Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Medizinischen Universität Wien. Das zeigt sich auch in einer Studie der WHO, der zufolge es im ersten Jahr der Pandemie weltweit etwa 25 Prozent mehr Fälle von Depressionen und Angstzuständen gab, davon betroffen waren
vor allem Kinder und Jugendliche.
Auch drei Jahre nach Beginn der Coronapandemie ist der Bedarf an raschen, niederschwelligen Angeboten zur Verbesserung der psychischen Gesundheit junger Menschen nicht abgedeckt.
Paul Plener
Die Verzweiflung und die zunehmenden gesundheitlichen Probleme bei Kindern und Jugendlichen erlebt Paul Plener tagtäglich hautnah: „Wir haben seit der Coronapandemie und in den Ausläufern der vielen Krisen viele Jugendliche gesehen, die sich zunehmend mit Suchterkrankungen an uns wenden und uns um Hilfe bitten.“
Die häufigsten Gründe dafür seien der immer größer werdende Druck auf Jugendliche, ein steigender Stresslevel, Zukunftsängste sowie akute gesundheitliche Probleme, wie Schlafstörungen und Angsterkrankungen, so der Fachmann. Aus seiner Sicht ist das österreichische Gesundheitssystem nur ungenügend für diese Situation gerüstet. Es müssen daher neue Konzepte entwickelt werden, um der hohen Nachfrage im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit evidenzbasiert begegnen zu können.
Dringender Handlungsbedarf
Diese Situation lässt sich auch belegen. Bereits im März 2021 präsentierten die Donau-Universität Krems und die MedUni Wien eine Studie, an der auch Plener mitarbeitete. Dabei wurden 3.000 Schülerinnen und Schüler ab einem Alter von 14 Jahren zu ihrem seelischen Wohlbefinden befragt. Die Studie ergab, dass mehr als die Hälfte der befragten Jugendlichen unter depressiven Symptomen, Angstzuständen, Schlafstörungen oder suizidalem Verhalten litt. Diese Ergebnisse veranlassten das Forschungsteam dazu, „dringenden Handlungsbedarf“ im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit zu prognostizieren.
Die multiplen Faktoren, die sich auf die psychische Gesundheit der gesamten Bevölkerung auswirken, wiegen bei den Jugendlichen extra schwer: Zu den Sorgen um Gesundheit, Familie, Klima und Zukunft kommt das Gefühl der Ohnmacht. Neben dem Druck von Schulen und Eltern, die Schullaufbahn so zu beenden, als hätte es Lockdowns und Homeschooling nie gegeben, werden die Sorgen der jungen Generation um die Klimakrise scheinbar oftmals nicht ernst genommen. Klimastreiks und Demonstrationen sind daher die logische Folge. Die Hoffnung der Jugendlichen liegt darin, die Politik zu erreichen und Veränderungen zu erwirken, um die Klimakrise zu bekämpfen.
Waren die Lockdowns, Social Distancing und andere Maßnahmen angesichts der sich ausbreitenden COVID-19-Infektionen aus infektiologischer Sicht durchaus berechtigt, so ließen sie doch außer Acht, dass der Mensch als soziales Wesen, und besonders Kinder und Jugendliche, soziale Kontakte, vor allem zu Gleichaltrigen, braucht. Doch auch drei Jahre nach Beginn der Coronapandemie ist der Bedarf an raschen, niederschwelligen Angeboten zur Verbesserung der psychischen Gesundheit junger Menschen nicht abgedeckt.
Dabei ist Gesundheit der Schlüssel zur bestmöglichen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, damit sie am schulischen, beruflichen und sozialen Leben teilhaben und am Zusammenhalt einer stabilen Gesellschaft mitwirken können.
Blick in die Zukunft
„Viele Jahre der Krise liegen hinter uns, und auch, wenn wir in die Zukunft blicken, scheint es so, dass neue Herausforderungen weiter auf uns zukommen“, erklärt Plener. Die Versorgung der psychischen Gesundheit Jugendlicher ist auch dem gemeinnützige Verein PRAEVENIRE ein großes Anliegen.
Schon im kommenden Mai erarbeiten Expertinnen und Experten im Rahmen der 8. PRAEVENIRE Gesundheitstage im Stift Seitenstetten Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Versorgungssituation bei psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen. „Schon seit einigen Jahren gibt es zudem die PRAEVENIRE Gipfelgespräche zur Kinder- und Jugendgesundheit in Hirschwang an der Rax, so auch heuer im Juni. Ein idealer Ort, um sich auszutauschen und zu überlegen, welche Aspekte der Krise es gab, und wie wir auf diese richtig reagieren können, um Kinder- und Jugendgesundheit zu fördern“, kündigt Plener an.
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