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Wie wirkt sich die Pandemie auf das Suchtverhalten aus?

© R. ETTL

Wie wirkt sich die Pandemie auf das Suchtverhalten aus?

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Im Jahr 2021 ist die Zahl der Drogentoten deutlich gestiegen. Auch bei Nikotinprodukten zeigt sich kurzfristig ein höherer Konsum bei Frauen. Dennoch sei die Lage stabil, betonte Dr. Martin Busch, Leiter des Kompetenzzentrums Sucht, anlässlich der Präsentation des Epidemiologieberichts Sucht 2022. Ableiten lasse sich aus der Statistik ein Zusammenhang zwischen psychischen Belastungen durch die Pandemie, fehlenden Therapiemöglichkeiten in dieser Zeit und dem Suchtverhalten.

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Mag. Sophie Brunnhuber, BA

Gesundheitsjournalist

Als führende Institution im Bereich Sammlung, Analyse und empirische Daten über Drogen, Tabak und andere suchtrelevante Verhaltensweisen in Österreich versteht sich das Kompetenzzentrum Sucht der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Politik. Mit Spannung wird daher immer der jährlich erscheinende epidemiologische Bericht Sucht erwartet. Heuer war es doppelt spannend, da der im Frühjahr veröffentlichte Bericht erstmals die Auswirkungen der Coronapandemie auf die Bevölkerung sichtbar machte.

Lage bei illegalen Drogen stabil

Im Jahr 2021 gab es insgesamt 235 drogenbezogene Todesfälle (Überdosierungen) zu verzeichnen. Das ist ein merklicher Anstieg gegenüber den Vorjahren (2020: 191, 2019: 196). Der Anteil der Personen unter 25 Jahren war im letzten Jahrzehnt bei den drogenbezogenen Todesfällen niedrig und stieg in jüngster Vergangenheit wieder leicht an. In Zusammenschau mit der insgesamt angestiegenen Zahl der drogenbezogenen Todesfälle könne das ein erstes Anzeichen für eine Verschärfung der Drogensituation sein, erläuterte Busch. Er hält es aber auch für realistisch, dass es sich bei dieser Entwicklung um eine vorübergehende Folge der COVID-19-Pandemie handeln könnte, beziehungsweise beides zutrifft, „Endgültig werden wir die Ursachen für den Anstieg erst in einigen Jahren beantworten können. Klar ist aber, dass suchtkranke Menschen in vielerlei Hinsicht eine sehr vulnerable Gruppe sind, deren Situation sich in der Pandemie Großteils massiv verschlechtert hat. Die zusätzlichen Belastungen und Ängste dürften zu einer Erhöhung der psychiatrischen Komorbidität geführt haben. Das wurde uns von drogenspezifischen Einrichtungen auch bereits mitgeteilt“, so der GÖG-Experte.

Der risikoreiche Drogenkonsum wird in Österreich vom Opioidkonsum, beispielsweise Heroin, dominiert. Zumeist liegt ein Mischkonsum legaler und illegaler Substanzen vor. Das zeigt sich auch darin, dass drogenspezifische Behandlungen oftmals Menschen mit Opioidproblematiken betreffen. Da über die Hälfte der an einer Überdosierung verstorbenen Menschen noch nie in Opioidsubstitutionsbehandlung war, stellt die wichtigste Maßnahme zur Senkung der Zahl eine weitere Erhöhung der Behandlungsrate dar. 2021 befanden sich 20.138 Personen in Opioidsubstitutionsbehandlung, die in Österreich in rund drei Viertel aller Fälle von Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern durchgeführt wird. Allerdings geht die Prävalenzschätzung davon aus, dass in Österreich 35.000 bis 40.000 Menschen einen risikoreichen Opioidkonsum aufweisen. 

„Die Daten aus dem Drogenmonitoring zeigen bei den unter 25-Jährigen weiterhin eine stagnierende Zahl an Einsteigerinnen und Einsteigern und es fehlen derzeit auch Anzeichen einer signifikanten Verlagerung hin zu anderen Substanzen. Darüber hinaus sehen wir eine kontinuierliche Alterung der Personengruppe mit risikoreichem Opioidkonsum aufgrund der verbesserten therapeutischen Versorgung“, so Suchtexperte Busch. Insgesamt sei somit von einer derzeit stabilen Situation auszugehen. Um die Lage zumindest auf dem derzeitigen Niveau
zu halten, sei es aber unumgänglich, die psychosozialen Belastungen für die Gruppe der suchtkranken Menschen entsprechend abzufedern.

Wir sehen, dass Jugendliche heutzutage sehr viel gesundheitsbewusster sind als frühere Generationen.

Positive Tendenzen beim Rauchen

Nikotinabhängigkeit ist die in Österreich am weitesten verbreitete Sucht. Etwa jede fünfte
Person, 21 Prozent, gibt an, täglich zu rauchen. Trotz eines Rückgangs des Zigarettenkonsums liegt Österreich damit noch über dem europäischen Durchschnitt. Doch es gibt auch positive Tendenzen. So sind die Raucherquoten gleich geblieben. Allerdings zeigt die Statistik, dass vor allem Raucherinnen ihren Zigarettenkonsum während der Pandemie – insbesondere im ersten Lockdown – überproportional erhöht haben. Der Grund: Frauen waren durch die Auswirkungen der Pandemie und des Lockdowns, wie Kinderbetreuung und Homeschooling, mehr belastet als Männer.

In den letzten Jahren ist zudem insbesondere bei Jugendlichen ein Konsumrückgang zu
beobachten: „Wir sehen, dass Jugendliche heutzutage sehr viel gesundheitsbewusster sind
als frühere Generationen. Für sie ist Rauchen kein Statussymbol mehr, wie es vielleicht noch
in ihrer Elterngeneration der Fall war“, erklärte Busch. Produkte wie Shisha, e-Zigaretten oder
sogenannte „neue“ Produkte wie Nikotinbeutel oder Tabak über Tabakerhitzer werden, so die
Erkenntnis aus dem epidemiologischen Bericht, eher probiert oder eher gelegentlich als täglich
konsumiert. Allerdings ändert sich die Situation insbesondere hinsichtlich „neuer“ Produkte
ziemlich schnell, was fundierte Aussagen erst zeitverzögert möglich macht.

Tabakrauchen ist in Österreich nach aktuellen Schätzungen für 16 Prozent aller Todesfälle
verantwortlich.
Frauen rauchen zwar seltener und weniger als Männer, ihr Rauchverhalten
gleicht sich jenem der Männer aber immer weiter an. „Denn während bei Männern die
Raucherquote schon seit 30 Jahren rückläufig ist, stieg sie bei Frauen noch bis Mitte der
2000er Jahre an und geht erst seitdem stetig zurück“, schilderte Busch.

Ein gutes Drittel der täglich Rauchenden hat bisher erfolglos versucht, mit dem Rauchen
aufzuhören. Das eröffnet auch neue Möglichkeiten: „Hier liegt ein großes Potenzial zur
Verbesserung der Situation, wenn diese Menschen adäquat unterstützt werden, ihr selbst
gesetztes Ziel zu erreichen“, schilderte Busch. In Österreich gibt es zwar ein breites Angebot,
das Raucherinnen und Raucher als Hilfe bei der Rauchentwöhnung in Anspruch nehmen können, allerdings ist dieses noch nicht breitflächig genug bekannt. So weiß beispielsweise laut einer Studie der GÖG nur die Hälfte aller Raucherinnen und Raucher in Österreich, dass es das „Rauchfrei Telefon“ gibt. Hier bedürfe es, so Busch, noch einiger Aufklärung, um dieses
Service mehr Menschen zugänglich zu machen.

Zusammenfassung und Ausblick

Insgesamt zeigt sich hinsichtlich der rezenten Entwicklung der Suchtsituation bezüglich illegaler Drogen und Tabak – mit Ausnahme der drogenbezogenen Todesfälle – ein relativ stabiles Bild. Neben den Folgen, die die CoronaKrise und ihre Bewältigung mit sich bringt, gibt es, wie Busch darlegte, in vielen Bereichen Herausforderungen: Etwa die alternde Generation suchtkranker Menschen, neue Produkte im Bereich Tabak und verwandte Erzeugnisse, die steigende Bedeutung von Kokain und die Entwicklung von Maßnahmen zur Verhinderung tödlicher Überdosierungen. Um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden, aktualisieren mehrere österreichische Bundesländer derzeit ihre Strategien zur Suchtbehandlung.

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