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PRAEVENIRE begrüßt neues Teammitglied

Portraitfoto Franz Leisch
© MIRJAM REITHER

PRAEVENIRE begrüßt neues Teammitglied

Portraitfoto Franz Leisch
© MIRJAM REITHER

Der Digitalisierungsexperte und vormalige ELGA-Chef Dr. Franz Leisch wechselte mit Anfang Mai in die Position des CDO (Chief Digital Officer) im gemeinnützigen Verein PRAEVENIRE. Der Mediziner und Informatiker hat große Pläne.

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Mag. Dora Skamperls

PERISKOP-Redakteurin

Nur eine erlesene Handvoll an Fachleuten in Österreich bringt jene sehr spezifischen Kenntnisse in Medizin und Informatik mit, mit denen Franz Leisch aufwarten kann. Er war sowohl maßgeblich am ELGA-Gesetz beteiligt als auch für die erfolgreiche Weiterentwicklung des Mega-Projekts ELGA verantwortlich. Die ELGA-Anwendung e-Medikation, der rasch umgesetzte elektronische Impfpass und der Grüne Pass haben während der Coronapandemie gezeigt, wie wichtig es ist, e-Health in kompetente Hände zu legen.

PERISKOP: Herr DI Dr. Leisch, Sie sind Mediziner und Informatiker, haben also eine spezielle, sehr fachspezifische Ausbildung. Wie kamen Sie auf die Idee, diese beiden Fachgebiete zu verknüpfen?

LEISCH: Ich hatte immer schon ein Faible für die Informatik und Computer, aber ich war begeisterter Mediziner und habe dann bei der Arbeit als Arzt in der Ambulanz erkannt, wie hilfreich es wäre, wenn man Informationen von Voruntersuchungen zur Verfügung hätte. Ich sah die einzige Möglichkeit, Verbesserungen herbeizuführen, darin, selbst Informatik zu studieren. Ich kam also selbst auf die Idee, mich zu einer Art „Facharzt der Informatik“ zu machen. Ich habe sozusagen mein eigenes Fachgebiet definiert, möchte aber dazusagen, es gibt einige von uns. Aber nur eine Handvoll.

Was ist Ihr bisheriger Werdegang?

Die letzten fünf Jahre war ich Geschäftsführer der Elektronischen Gesundheitsakte Gmbh, eigentlich das Leuchtturmprojekt der Digitalisierung des österreichischen Gesundheitswesens. Ich habe dort festgestellt, wie schwierig es ist, es allen recht zu machen, weil man Bund, Länder und Sozialversicherung als seine Eigentümer hat. Das macht diese Position sehr schwierig. Vorher war ich fünf Jahre lang im Gesundheitsministerium als Referent tätig für e-Health und Internationales. In dieser Funktion durfte ich auf der einen Seite das Gesundheitstelematikgesetz entscheidend mitverhandeln, habe aber auch die ELGA GmbH ab der Gründung begleitet. Ich habe die ersten Pilotprojekte der ELGA aufgesetzt, wie die e-Medikation. Zwischen Ministerium und der ELGA Gmbh war ich fast fünf Jahre für die VAMED tätig, wo ich die IT aller Gesundheitseinrichtungen der VAMED strategisch koordiniert und geleitet habe.

Wie möchten Sie Ihre Erfahrungen in die neue Position als CDO bei PRAEVENIRE einbringen? Was sind Ihre Ziele?

Ich werde meine langjährige Erfahrung in dem Bereich nutzen und einbringen. Das eigentliche Ziel ist, dass Abläufe durch IT im Gesundheitswesen nicht komplizierter werden, sondern einfacher. Digitalisierung soll als Instrument dienen, um den Herausforderungen im Gesundheitswesen gerecht zu werden. Ich denke da vor allem an den an das Thema Personalmangel. Es gibt so viele Einsatzmöglichkeiten, die das Leben verbessern können. Ich bin überzeugt, dass PRAEVENIRE eine großartige Plattform bietet, um diese Themen aus der Theorie in die Praxis zu überführen und in die Diskussion mit der Politik und den Entscheidern zu bringen.

Es herrscht ein Wildwuchs verschiedener Softwares, sehen Sie einheitliches System für alle Bundesländer am Horizont?

Wenn man in dem Bereich gearbeitet hat, ist klar: Ein einheitliches System wird nicht realisierbar sein. Sie können aber die Qualität der bestehenden Systeme verbessern und vor allem auf Schnittstellen setzen. Da gibt es ganz große Initiativen, in Europa, aber auch in Österreich mit Health Level 7 und Integrating the Healthcare Enterprise (IHE), wo man darauf setzt, bestehende Systeme kompatibel zu machen. Bestehende Systeme anzupassen, ist teilweise eine größere Herausforderung, als neue einzuführen, aber auch mit den Schnittschellen kann man sicher etwas verbessern.

Ihr großer fachlicher Schwerpunkt liegt in der Digitalisierung. Was planen Sie für die beiden PRAEVENIRE Großveranstaltungen in diesem Jahr – die 8. PRAEVENIRE Gesundheitstage in Stift Seitenstetten und die 10. PRAEVENIRE Gesundheitsgespräche in Alpbach. Letztere immerhin ein Jubiläum?

Die Digitalisierungsthemen liegen eigentlich am Tisch, auch in Hinblick auf die 15A-Gespräche, die gerade stattfinden. Es wird eine tolle Möglichkeit sein, das auch bei diesen Veranstaltungen breit zu diskutieren.

Auf der einen Seite sehe ich natürlich aktuelle Themen wie Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs), andererseits Dinge, die noch viel näher liegen – z. B., dass wir endlich die Bilddatenübertragung über ELGA schaffen. Für diese brennende Aufgabe müssen Grenzen bzw. Sektoren überwunden werden. Ein ganz großer Schwerpunkt wird auf Ebene der Europäischen Union mit dem sogenannten European Health Data Space gesetzt – da hat die Pandemie sehr viel bewirkt. Hier werden sowohl die Primärdatennutzung als auch die Sekundärdatennutzung forciert. Hier könnte Österreich sicher schon Vorarbeit leisten und sich darauf vorbereiten. Last, but not least in diesem ganzen Dschungel der digitalen Themen ist es ganz wesentlich, Ausbildungsmaßnahmen anzudenken – eine Art Digitalakademie, wo wir Ärztinnen und Ärzte und Gesundheitsberufe auf die Herausforderungen im Umgang mit digitalen Medien und Werkzeugen, aber auch Künstlicher Intelligenz (KI) hin schulen.

Sie werden nun u. a. beim Thema Digitalisierung des Gesundheitswesens eng mit PRAEVENIRE Vorstand Prof. Reinhard Riedl zusammenarbeiten, der u. a. für die Organisation des alljährlichen PRAEVENIRE Digital Health Symposions verantwortlich zeichnet. Haben Sie hier schon Pläne geschmiedet?

Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit, wir werden ein gutes Team sein. Gerade bei der Digitalisierung muss man auch über die Grenzen schauen. Wenn wir hier mit der Schweiz, aber auch mit Deutschland zusammenarbeiten können, bietet das viele Möglichkeiten. Die Vorbereitung auf den European Health Data Space, aber auch eine Akademie für den praktischen Einsatz der Digitalisierung im Gesundheitswesen, Bilddatenaustausch und die bahnbrechenden Möglichkeiten von KI und DiGAs für die Gesundheitsversorgung sind Berührungspunkte und Themen, an denen wir im Detail arbeiten werden.

d-Health ist das neue Modewort – aber in der Bevölkerung ist noch nicht angekommen, worum es hier eigentlich geht. Wo sehen Sie die Defizite bzw. Herausforderungen in Österreich?

Wie wir schon angesprochen haben, die Digitalisierung muss nützlich sein. Wenn eine digitale Anwendung nützlich ist – und da möchte ich auf das Beispiel aus der Pandemie mit der e-Medikation gehen –, dann wird sie auch akzeptiert. Wir müssen es schaffen, die digitalen Anwendungen so zu gestalten, dass sie laufend kommunizieren und die Menschen einen persönlichen Nutzen davon haben. Es muss ein Umdenken stattfinden in vielerlei Hinsicht – von den Ärztinnen und Ärzten, die solche Apps verordnen, aber auch von staatlichen Institutionen, die sie programmieren. Warum soll alles der Staat machen – vielleicht wäre es eher die Aufgabe des Staates, ein innovatives unternehmerisches Klima zu schaffen für Start-ups?

Portraitfoto Franz Leisch
© MIRJAM REITHER

Eines Ihrer Steckenpferde sind die sog. DiGAs, die digitalen Gesundheitsanwendungen in Form von Apps, die ärztlich verordnet werden können – wie Sie auch im vergangenen Jahr bei den PRAEVENIRE Talks auf der Schafalm in Alpbach deutlich gemacht haben. Fährt hier der Zug für Österreich schon ab?

Ganz im Gegenteil. Eigentlich sind wir in der privilegierten Lage, dass hier in Deutschland und anderen Ländern Vorarbeit geleistet wurde. Das können wir für uns nutzen. Was spricht dagegen – es gibt in Deutschland sehr gute Applikationen –, diese auch in Österreich zuzulassen und zu erstatten? Wenn eine App nachgewiesenen Nutzen bringt, dann kann man sie wie ein Medikament oder ein Medizinprodukt zulassen und erstatten. Die zweite Frage, wo andere Länder in Vorleistung gegangen sind, ist die Schaffung einer Innovationsatmosphäre. Es wurden Anreize für Unternehmen gesetzt, solche DiGAs zu entwickeln und daran auch zu scheitern. Da wir in Österreich ein sehr kleiner Markt mit wenigen Einwohnerinnen und Einwohnern sind, wäre es sinnvoll, eine Kooperation im DACH-Raum einzugehen und einen gemeinsamen DiGA-Markt zu schaffen.

Sie haben einmal getwittert: „Die Intransparenz ist der Sargnagel des Gesundheitssystems.“ Hat sich seither etwas bewegt? Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Defizite in der Kommunikation an die Bevölkerung?

Ich war seinerzeit von der Transparenz bei der Einführung von Obama-Care fasziniert – man konnte Obama in den Sitzungen live verfolgen und alle Papiere von Europa aus transparent einsehen und lesen. Ich habe diese Informationen sogar für ELGA genutzt – die Diskussionen über Opt-out und Opt-in wurden damals in den USA sehr transparent und auf fachlicher Ebene geführt. Ich hätte den Anspruch, dass in Österreich ähnlich transparent mit Unterlagen umgegangen wird, zum Beispiel jenen der Bundeszielsteuerungskommission oder der ELGA-Gremien. In Bezug auf das Landespapier für die Gesundheitsreform bin ich der Meinung, die Länder sollten das selbst veröffentlichen und ihre Forderungen an den Bund somit auch öffentlich darstellen. Für die Bevölkerung sind diese internen Diskussionen und Entscheidungsprozesse eine Blackbox, sie werden weder kommuniziert noch erklärt. Die Sorge der Politik vor dem Willen der Bevölkerung ist größer als die Realität, die Bevölkerung ist hier schon viel mündiger als angenommen.

Sie haben in Bezug auf die Akzeptanz eines digitalen Gesundheitsdatensystems das Wort „Kollateralnutzen“ verwendet. Wie sehen Sie das heute – was ist noch zu tun, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern?

Wenn durch die Anwendung von digitalen Systemen das Leben der Bevölkerung unmittelbar leichter wird, dann werden sie das auch nutzen. Wenn ich einfacher einen Arzttermin vereinbaren kann, wenn ich schneller und unkomplizierter etwas bekomme. Das gleiche gilt auch für die Gesundheitsberufe selbst, die Werkzeuge brauchen, die ihnen bei der täglichen Arbeit Nutzen bringen. Wenn man Transparenz bei den Daten schafft, kann man aus diesen Informationen Verbesserungsvorschläge und somit einen Kollateralnutzen gewinnen. Gesundheitsdaten haben drei Aspekte: der direkte Nutzen für die Behandlung, danach vielleicht ein Forschungsbenefit, und – wenn man den Bereich forciert – noch eine Förderung für einen sehr kreativen Wirtschaftszweig im Bereich der Programmierung.

Wie sehen Sie das Thema Anreizsysteme – nicht nur finanzielle. Wenn ich Blut spenden gehe, bekomme ich zum Beispiel einen kleinen Betrag dafür.

Die Frage ist, was ist ein Nutzen – es muss nicht immer Geld sein. Da muss man sich mit Patientenvertretern, Verhaltensforschern und Marktforschern kurzschließen, was für die Menschen einen Nutzen bringen könnte. Ich sehe die Rolle der Expertinnen und Experten – mir ist lieber der Begriff Fachleute – darin, der Politik einen gewissen Entscheidungsrahmen zu geben. Ich bin am Schluss beim Impfpass- Projekt eine Strategie mit den Auftraggebern gefahren wie bei Robert Lembkes Beruferaten: A, B oder C sind legitime Lösungen, wir würden aber B empfehlen. So wurden zumindest Entscheidungen getroffen, die im Bereich des Sinnvollen und Machbaren waren – aber es wurde nie unsere Empfehlung genommen. Ich hätte mir für PRAEVENIRE vorgenommen, diese Bandbreite an Entscheidungsmöglichkeiten offen zu diskutieren.

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