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Lebensmut statt Endzeitstimmung

Lebensmut statt Endzeitstimmung

Mit 38 Jahren bekam Claudia Altmann-Pospischek die Diagnose Brustkrebs. Dieser hatte bereits in Leber und Knochen
gestreut. die durchschnittliche lebenserwartung bei metastasiertem brustkrebs beträgt derzeit zwei bis
vier jahre. Mit bisher 11 Jahren gehört die Wiener Neustädterin zu den Langzeitüberlebenden. Wie sie mit der Diagnose
umgegangen ist, was die Krankheit in ihrem Leben verändert hat und welche Unterstützung sie vom Gesundheitssystem
erwartet, schildert sie im periskop Interview.

Statt sich zurückzuziehen, ging Claudia Altmann-Pospischek mit ihrer persönlichen Geschichte an die Öffentlichkeit. Mit ihrem Blog „Claudias Cancer Challenge“ und vielen weiteren Aktionen schafft sie große Aufmerksamkeit und Verständnis für die Situation von Patientinnen und Patienten mit Krebs im fortgeschrittenen Stadium.

Die Chancen auf Heilung aber auch das Ansprechen von Therapien hängt stark mit dem Zeitpunkt der Entdeckung einer Krebserkrankung zusammen. Wird hier Ihrer Meinung nach in Österreich schon genug gemacht, oder bedarf es hier noch Nachbesserungen? Müssten Screenings engmaschiger werden? altmann-pospischek: Österreich hat bei kostenlosen Screening-Angeboten ab dem 40. Lebensjahr im europäischen Vergleich die Nase vorne. Das ist die beste und wichtigste Maßnahme, um eine Brustkrebserkrankung möglichst früh zu erkennen, denn dann sind die Heilungschancen am größten. Das Problem ist nur, dass viel zu wenige Frauen auch tatsächlich zur Mammografie gehen. Weil sie keine Information darüber haben, weil sie sich vor der Untersuchung fürchten, weil sie nicht mit einer Krebserkrankung rechnen – die Gründe sind vielfältig. Dabei erkrankt jede achte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Engmaschigere Kontrollen gehen mit einer höheren Strahlenbelastung durch die Mammografie einher. Davon raten Expertinnen und Experten auch ab – außer es handelt sich um Hochrisikopatientinnen. Das heißt, das Ziel kann nur sein, der Öffentlichkeit die Vorteile von Screenings nahezubringen. Es gilt, die wichtige Botschaft an die Frau zu bringen.

Österreich hat jetzt im Sommer eine Ausweitung der kostenlosen HPV-Impfung bis zum 30 Lebensjahr umgesetzt. Impfungen sind aber nur ein Baustein in der Krebsprävention. Welche Schritte müssten noch implementiert werden, damit vermeidbare Krebsrisiken gesenkt werden können? Das ist ein großartiger Schritt in der Präventionsstrategie. Ich denke, wir sollten in erster Linie die Gesundheitskompetenz fördern und stärken. Diese ist in Österreich – im europäischen Vergleich – nur mittelmäßig ausgeprägt. Das fängt schon im Schulalter an – hier fehlt ein entsprechendes eigenes Fach mit Augenmerk auf Körper, Gesundheit, Ernährung und Bewegung. Denn, wer einen gesunden Lebensstil pflegt, trägt enorm dazu bei, das Krebsrisiko zu senken. Bedeutung hat weiters – gerade was das Thema Brustkrebs betrifft – das Wissen um die genetische Prädisposition. Rund 30 Prozent aller Frauen mit Brustkrebs sind familiär vorbelastet.

Wer hier aufmerksam ist und an Früherkennungsprogrammen teilnimmt, kann eine Erkrankung bereits im Anfangsstadium diagnostizieren. Auch eine vorsorgliche Brustentfernung kann in einigen Fälle das Krankheitsrisiko deutlich senken. Information und Aufklärung sind hier der Schlüssel zum Erfolg. Wenn wir den Nutzen des Gesundheitssystems erhöhen wollen, muss es verstärkt Investitionen in die Präventionsmedizin geben.

Österreich hat bei kostenlosen Screening-Angeboten ab dem 40. Lebensjahr im europäischen Vergleich die Nase vorne. Das ist die beste und wichtigste Maßnahme, um eine Brustkrebserkrankung möglichst früh zu erkennen, denn dann sind die Heilungschancen am größten.

Claudia Altmann-Pospischek

Mit über 80 Prozent zählt Brustkrebs zu jenen Arten, die grundsätzlich eine sehr große Heilungschance haben, wenn sie früh erkannt werden und rechtzeitig eine Intervention stattfindet. In Ihrem Fall hat sich allerdings schon gleich zu Beginn gezeigt, dass der Krebs gestreut hat und Metastasen an den Knochen und in der Leber vorhanden sind. 2018 wurden zudem Metastasen im Bauchfell festgestellt. Wie sind sie mit dieser Diagnose umgegangen? Wo findet man in diesen Fällen noch Halt? „Sie haben Krebs“ sind mitunter die drei schlimmsten Worte, die man hören kann. Plötzlich ist nichts mehr, wie es einmal war. Kein Stein bleibt auf dem anderen; die eigene kleine Welt findet sich in Schutt und Asche wieder. War bei mir so – ohne genetische Prädisposition und trotz regelmäßiger Gyn-Besuche. Sofort Metastasen. Angst. Panik. Die bange Frage: „Muss ich jetzt sterben?“ Ich bin durch verschiedene Phasen gegangen: Zuerst war da diese fürchterliche Schockstarre, in der ich wie in einem dichten Nebel agierte. Dann kam die unbändige Angst, die mir die Luft zum Atmen raubte. Darauf folgte eine Zeit des Haderns nach dem Motto: „Warum passiert das ausgerechnet mir?“ Diese ging über in eine langsame Akzeptanz der Situation, die ich ohnehin nicht ändern konnte. Und daraus entstand die Kraft, den Blick wieder nach vorne zu richten und meinen Weg weiterzugehen. Ich habe folgende Metapher im Kopf: „Der Krebs ist mein Beifahrer – ich werde ihn nicht mehr los. Aber ich sitze hinter dem Steuer und gebe die Richtung und das Tempo vor. Solange es noch geht“. Das beschreibt wohl am besten, wie sich mein Leben mit fortgeschrittenem Brustkrebs anfühlt. Wo fand ich Halt? In erster Linie bei meinem sozialen Umfeld – meinem Peter, meiner Mama und meinen Freundinnen, Freunden, die mich stets unterstützt und motiviert haben. Dafür bin ich ungemein dankbar! Ihr Arzt hat Ihnen nach der Diagnose eine Überlebenszeit von zwei Jahren vorausgesagt. Mittlerweile leben Sie seit 11 Jahren mit der Erkrankung. Was bedeutet metastasierter Brustkrebs für Betroffene? Wie verändert sich das Leben, der Alltag?

Metastasierte Frauen …
• leiden unter einer chronischen, unheilbaren Krankheit
• können nie wieder in ihr altes Leben einsteigen
• brauchen Dauertherapie
• müssen mit fortwährenden Nebenwirkungen und Schmerzen zurechtkommen
• tragen eine enorme psychische Belastung
• können in den meisten Fällen nicht mehr arbeiten
• müssen anhaltende finanzielle Einschnitte hinnehmen
• sind gezwungen, ihre (familiären) Lebensträume einzuschränken/aufzugeben
• stellen ihre Familie und ihr Umfeld vor große Herausforderungen
• sind plötzlich mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert

All diese Punkte machen den Rucksack, den man von einem auf den anderen Tag ungewollt umgeschnallt bekommt, äußerst schwer. Das Leben mit Krebs ist wie eine Achterbahnfahrt. Mal geht’s steil bergauf und dann rast man wieder flott nach unten. Es gibt zahlreiche Hochs und Tiefs, gute und schlechte Untersuchungsbefunde, inspirierende Begegnungen und interessante Erkenntnisse; aber auch schlimme Schockerlebnisse und niederschmetternde Diagnosen.

Ich würde mir einen Cancer Case Manager wünschen, der gleich bei der Diagnose mit seinem ‚Bauchladen an Unterstützungsmöglichkeiten‘ vorstellig wird.

Claudia Altmann-Pospischek

Zur Behandlung der metastasierten Brustkrebserkrankung war in Ihrem Fall ein wahrer Marathon an Behandlungen notwendig. Studien zeigen, dass Patientinnen und Patienten nur knapp die Hälfte dessen verstehen, was ihnen Ärztinnen und Ärzte im Therapiegespräch vermitteln wollen. Wie bereiten sie sich auf Arzttermine vor? Welche Verbesserungen in der ärztlichen Aufklärung wären aus Ihrer Sicht wünschenswert? Das stimmt. Wenn man die Worte „Krebs“ und „Chemotherapie“ hört, dann geht der Rollbalken runter und man bekommt nicht mehr viel mit. Diese einschneidende Nachricht muss sich erst setzen. Da braucht es im Nachgang einfache Erklärungen in laiengerechter Sprache – also verständliche Kommunikation. Und da scheitert’s oft im Krankenhausalltag. Am bedeutendsten war es für mich, eine stabile, vertrauensvolle Beziehung zu meinem Onko- Team aufzubauen. Mit dem Ziel, auf Augenhöhe zu kommunizieren und ein „shared decision making“ zu erreichen. Auch wenn ich Medizinisches nicht bis ins letzte Detail verstehe – so sehe ich mich nach all den Jahren als „Hobbymedizinerin“ und möchte meine Entscheidungen als mündige Patientin gemeinsam mit dem Arzt treffen. Nichts ist für mich wichtiger als Kapitänin meines eigenen Bootes zu bleiben. Hier kurz zusammengefasst meine 7 Tipps für ein wertvolles Gespräch mit dem Onko-Team:
• Zusammenstellen eines Fragebogens
• Mitnehmen einer Vertrauensperson
• Begegnung auf Augen- und Herzenshöhe
• Nachfragen bei Unklarheiten
• Anstreben eines shared-decision-making
• Festlegen der nächsten Schritte
• Motivierende take-home-messages

Was generell gute Kommunikation ausmacht? Offenheit, Ehrlichkeit, Verständnis und Empathie. Gepaart mit ausreichend Zeit und einer großen Portion Motivation.

Sie haben 2018 auch eine Selbsthilfegruppe zu metastasierendem Brustkrebs gegründet. Wie wichtig ist diese Vernetzungsarbeit für Betroffene? „Was ist wichtiger? Der Weg oder das Ziel? Die Weggefährten!“ – Ein weiser Spruch. Ebenso bedeutsam wie die Kommunikation mit dem Onko-Team ist der Austausch unter Betroffenen. Mitpatientinnen und -patienten bringen Verständnis, Erfahrung und Schwarmwissen mit – das ist nicht zu unterschätzen. Man muss nicht lange erklären – das Gegenüber versteht. Als ich damals, 2013, mit 38 Jahren meine metastasierte Brustkrebsdiagnose bekam, fühlte ich mich allein – schrecklich allein. Ich suchte nach einer Andockstelle – doch Fehlanzeige, die gab es nicht. Deshalb schwor ich mir: „Wenn ich mal die Kraft aufbringe, dann werde ich Selbsthilfeprojekte ins Leben rufen“. Gesagt – getan. Mit den „Meta Mädels“ und dem „Krebs Klub Wiener Neustadt“. Dazu moderiere ich die Facebook-Gruppen „Meta Mädels“ und „Metastasierter Brustkrebs Österreich“. Obwohl uns die Schwere unserer Erkrankung bewusst ist, sind wir kein Trauerverein – wir lachen viel zusammen und planen gemeinsame Aktivitäten. Ich kann nur jeder und jedem ans Herz legen, sich zu öffnen und sich zu vernetzen. Im Gegensatz zu vielen anderen Betroffenen haben sie sich nicht zurückgezogen, sondern sind als Bloggerin und auf Social Media sehr aktiv in der Aufklärung rund um metastasierenden Brustkrebs. Was treibt sie an? Wie schaffen Sie es, die für diese Medienformate notwendige Heiterkeit aufzubringen? Wie wichtig ist es auf trendigen Formaten, wie den diversen Social Media Plattformen über Themen wie Brustkrebs zu sprechen? Im Laufe der Jahre wurde mir immer klarer, dass ich meinen Fokus auf Brustkrebsaktivitäten richten möchte. Das ist der Motor, der mich am Laufen hält. Ich will aus meiner Krankheit das Beste machen, möchte Brustkrebsbotschafterin sein, zur Vorsorge aufrufen und Solidarität mit Betroffenen einfordern. Ich liebe es, meine Erfahrung weiterzugeben, Brustkrebs-Aktionen zu unterstützen und als Patientenvertreterin bei Kongressen gehört zu werden. Ich möchte ein Gesicht und eine Stimme einer Krankheit sein. Damit einher geht die Arbeit an meinem „Sprachrohr“ – meinem Blog „Claudias Cancer Challenge“. Dass mir auf Facebook und Instagram Menschen folgen und mich täglich lesen, tut der Journalisten-Seele gut. Und ja, Brustkrebs ist kein Randthema, sondern muss dort hingeschoben werden, wo es hingehört – nämlich in die Mitte der Gesellschaft. Dabei helfen Social-Media-Kanäle. An manchen Tagen überfällt mich die Angst und nimmt mir die Luft zum Atmen. An manchen Tagen fühle ich mich glücklich, frei und unbeschwert. Das Leben mit Krebs ist eine Wundertüte – du weißt nie, was der nächste Tag bringen wird. Und nein, Dauer-Heiterkeit ist nicht mein Job, auch wenn ich generell ein positiver Mensch bin. Auf meinen Plattformen ist ebenso Platz für Tränen, Trauer und Abschiednehmen. Das verstehe ich unter Authentizität. Auf Grund Ihrer jahrelangen Erfahrung, was möchten Sie Frauen, die gesagt bekommen, dass ihr Krebs schon Metastasen gebildet hat, mitgeben? Ich möchte diesen Frauen mitgeben, dass es nichts bringt, den Kopf in den Sand zu stecken oder sich zu fragen: „Warum ich?“ Sie sollten lieber hinausgehen, leben und tiefe Spuren hinterlassen. Ich empfinde es als hilfreich, sich darauf zu konzentrieren, was man noch kann und nicht darauf, was man nicht mehr kann. Wir alle haben Kraftquellen und diese müssen wir auch anzapfen. Damit kann alles gemeint sein – von herzlichen Familientreffen über ein geliebtes Hobby bis hin zu „Auszeiten aus der Cancer Reality“. Wir sind schließlich so viel mehr als nur unsere Krankheit. Resilienz ist für mich ein zentraler Begriff. Und so habe ich versucht, mein Lebenscredo in zehn Punkten zu gießen: • Akzeptiere Deine Krankheit und lebe mit ihr als „Beifahrer“ • Setz Dir Fixsterne auf Deiner Lichterkette des Lebens (Treffen, Konzerte, Reisen) • Lass Dich in Dein soziales Netz fallen • Such Dir eine Aufgabe, die Dein Herz erfüllt • Konzentriere Dich auf Deine Bedürfnisse und Deinen Weg • Informiere Dich über Krankheit & Behandlung • Finde ein kompetentes und empathisches Onko-Team • Nimm psychologische Hilfe in Anspruch • Sei aktiv und lebe im Hier & Jetzt • Versuche das Positive in all dem Negativen zu erkennen Und so seltsam es auch retrospektiv klingen mag: Die Erkrankung bringt nicht nur Fürchterliches mit sich – sondern auch Schönes, wie z. B. ein anderer Fokus im Leben oder neue Freundschaften. Welche Unterstützung würden Sie sich seitens des Gesundheitssystems und der Gesellschaft noch wünschen, die das Leben von Betroffenen mit metastasierendem Krebs erleichtern würde? Ich würde mir einen Cancer Case Manager wünschen, der gleich bei der Diagnose mit seinem „Bauchladen an Unterstützungsmöglichkeiten“ vorstellig wird. Der auslotet, was es bedarf, Anträge ausfüllt und Kontakte herstellt. Was es braucht, sind flexible Arbeitszeitmodelle nach dem Motto: „Arbeiten, wenn immer es die Krankheit erlaubt“. Denn: Viele von uns wollen oder müssen arbeiten, schaffen das aber – unter Therapie – nicht Tag für Tag. Eine unheilbare Krebsdiagnose ist eine enorme psychische Belastung – Ängste aller Art sind unsere ständigen Begleiter. Aus diesem Grund wäre eine dauerhafte psychische Unterstützung wertvoll. Wir brauchen Reha-Angebote, die speziell auf metastasierte PatientInnen zugeschnitten sind. Bei einem „Gehen Sie wieder fit und gesund nach Hause“ fühlen wir uns wenig repräsentiert. Wir müssen uns um den Palliativ- und End-of- Life-Bereich annehmen, denn den letzten Lebensmetern wird viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Hier wäre es notwendig, das Angebot (z. B. Hospizplätze) auszubauen. Diese Liste wäre natürlich fortsetzbar … es gibt noch jede Menge zu tun.

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