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Harm Reduction: Politik der „kleinen Schritte“

Harm Reduction: Politik der „kleinen Schritte“

Mit einem Konzept zur Schadensminimierung geht die Suchtbehandlung neue Wege: Anstelle von Verboten und Strafen sollen evidenzbasierte Strategien zur Reduktion von gesundheitlichen Risiken angeboten werden.

Harm Reduction ist ein Ansatz in der Medizin und öffentlichen Gesundheit, der darauf abzielt, die negativen Folgen bestimmter Verhaltensweisen oder eines Substanzkonsums zu reduzieren, anstatt diese vollständig zu eliminieren. Ziel ist es, durch eine „Politik der kleinen Schritte“ so zumindest Risiken und Schäden im Zusammenhang mit diesen Verhaltensweisen klein zu halten. Diese Risikominderung kann dort einen Beitrag leisten, wo Prävention zu spät kommt und Lebensstiländerung oder Suchtabstinenz nicht erfolgreich sind. Das Konzept spiegelt die Bemühungen von PRAEVENIRE wider, die Versorgung auf drei Ebenen zu optimieren: Auf individueller Ebene werden Betroffene gestärkt, auf gesundheitsökonomischer Ebene werden Erkrankungen und damit Behandlungskosten minimiert und auf sozioökonomischer Ebene wird solidarisch agiert, denn Suchterkrankungen treten häufiger bei ohnehin benachteiligten Gruppen auf. Erfolgreich ist der Ansatz unter anderem bei Themen wie Bewegung, Ernährung, Alkohol, Rauchen oder dem Konsum illegaler Drogen.

Ausnahmen erlaubt
Der Harm-Reduction-Idee liegt ein durchwegs pragmatischer Ansatz zugrunde, indem anerkannt wird, dass der Konsum der stoffgebundenen Substanzen sowie das Risikoverhalten von zu wenig Bewegung oder ungesunder Ernährung gesellschaftlich weit verbreitet sind. Häufig ist der ungesunde Lebensstil „anerkannt“, und damit eine völlige Vermeidung schwierig umzusetzen. Daher ist eine Gesellschaft frei von Suchtverhalten und vermeidbaren Lebensstilrisiken kein realistisch kurzfristig erreichbares Ziel. „In einer idealen Welt würden wir uns wünschen, dass niemand mit einem ungesunden Lebensstil begonnen hätte. Wir würden uns auch wünschen, dass für Suchtkranke absolute Abstinenz erreicht werden kann. Das gilt für jede Art der Sucht“, erklärt Assoc. Prof. PD Dr. Eva Hilger, Leiterin des Chefärztlichen Dienstes der Sozialversicherung der Selbständigen (SVS). Statt den Konsum selbst zu verurteilen, liegt der Fokus bei Harm Reduction auf der Minimierung von Risiken. Als Fachärztin hat Hilger viel Erfahrung mit Suchterkrankungen gesammelt und weiß auch, dass der Fingerzeig auf diese Menschen und eine Verurteilung nicht der richtige Weg sind. Harm-Reduction-Ansätze versuchen, die Autonomie der Betroffenen zu respektieren und ihnen Informationen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um sicherere Entscheidungen zu treffen.

Unbestritten ist, dass Suchterkrankungen viele schädliche gesundheitlichen Auswirkungen haben, und es am gesündesten wäre, gar nicht erst anzufangen. Bei Abhängigen geht die Forderung nach Prävention aber ins Leere, jedoch sind erfolgversprechende Konzepte zum Ausstieg sowie der Schadensminimierung eine Option.

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