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Nanomedikamente: großes Potenzial mit Herausforderungen

Kristian Juhasz

Nanomedikamente: großes Potenzial mit Herausforderungen

Kristian Juhasz

Nanomaterialien gelten als wichtige Hoffnungsträger für neuartige Behandlungsmöglichkeiten. Schon heute kommen diese in vielen Anwendungsformen zum Einsatz und die Industrie forscht an weiteren Möglichkeiten Nanomaterialien im Gesundheitsbereich zu verwenden. Welches Potenzial in diesen winzigen Teilchen steckt, aber auch welche Herausforderungen sie an die Hersteller stellen, schilderte Dr. Beat Flühmann, Global Lead Nanomedicine von Vifor Pharma bei den 7. PRAEVENIRE Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten.

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Rainald Edel, MBA

Periskop-Redakteur

Nanopartikel haben in der Medizin eine lange Geschichte. „Nanomedikamente gibt es seit den 1950er Jahren – nur wusste es damals noch niemand“, erzählte Dr. Beat Flühmann in seiner Keynote „Potenzial von Nanomedikamenten und Herausforderungen an die Produktion“. Unter Nanomedizin versteht man laut einer aktuellen Definition der amerikanischen Medizinprodukte-Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) pharmakologisch wirksame Partikel im Bereich zwischen ein und 100 Nm. Ein Nanometer (1nm) ist ein Millionstel Millimeter – zum Vergleich, ein Protein hat ungefähr eine Größe von 10 Nm und ein menschliches Haar wäre 80.000 Nm breit.

Blickt man in die Zulassungsstatistik, kann man einen durchaus steilen Anstieg der Nanomedikamente in der letzten Dekade erkennen. „In den letzten Jahren wurden jährlich bis zu 25 Nanomedikamente bei der FDA zur Zulassung eingereicht“, erklärte Flühmann. Typische Formen von Nanoprodukten in der Medizin sind Nanocrystals, Polymere, Liposome oder auch Produkte wie Albumin gebundenem Paclitaxel und Eisen-Carbohydrate. Die Anwendungsgebiete von Nanomedikamenten sind vielfältig und reichen von der Krebstherapie über Infektiologie, Neurologie bis zur Anämiebehandlung. Breitere Aufmerksamkeit durch die Öffentlichkeit erlangte dieses Gebiet der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung zuletzt durch die Entwicklung der mRNA Vaccine, bei denen es sich ebenfalls um Nanomedikamente handelt.

Erste Leitlinie für Nanomedikamente durch die FDA

Obwohl sich die pharmazeutische Industrie schon seit mehr als einem halben Jahrhundert mit der Wirkung von Nanopartikel beschäftigt, hat die amerikanische Zulassungsbehörde FDA erst im April des heurigen Jahres eine Anleitung für die Industrie mit dem Titel „Drug Products, Including Biological Products, that Contain Nanomaterials“ herausgegeben.

Diese Leitlinie behandelt neben den einzigartigen Sicherheits- und Wirksamkeitsaspekten von Nanoarzneimitteln, die Komplexität dieser Produkte, die Kritikalität des Herstellungsprozesses sowie die Herausforderungen, die mit der Genehmigung komplexer Nachahmerprodukte verbunden sind.

Speziell die Komplexität der Produkte sorgt bei den Herstellern, aber auch bei den Zulassungs- und Regulierungsbehörden für einige Herausforderungen. Denn bei Nanomedikamenten wird die pharmakologische Wirkung nicht nur durch die chemische, sondern auch durch physikalische Eigenschaften hervorgerufen. Nanomedikamente bestehen aus komplexen Nanopartikeln welche meist aus mehreren Komponenten aufgebaut sind, und so aufgrund ihrer spezifischen dreidimensional Anordnung den Partikel bilden. Die so gebildete Oberfläche und Struktur der Nanoteilchen haben großen Einfluss auf die Biodisposition (wohin das Teil geht), die Pharmakokinetik sowie die Pharmakodynamik. Oberfläche und Struktur werden beide durch den Herstellungsprozess definiert

Komplexe Herstellung

In ihrer Leitlinie fordert die FDA unter dem Punkt Faktoren zur Bewertung von Nanomaterialien, dass Hersteller nicht nur eine Charakterisierung der Materialstruktur und deren Funktion vorzunehmen haben, sondern auch den Mechanismus zu belegen haben, durch den die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Materials die biologischen Wirkungen beeinflussen. „Was wir meistens nicht wissen ist, welche Features zu welchem clinical outcome führen. Oftmals wissen wir nur, dass etwas funktioniert, aber nicht welche Parameter variieren können“, beschreibt Flühmann. Das Dilemma besteht vor allem im Bereich der kritischen Qualitätskriterien. Da diese oftmals nicht bekannt sind, müssen alle Parameter erfasst werden, da sonst nicht garantiert werden kann, dass noch dasselbe Produkt vorliegt.

Potenzial von Nanomedikamenten ist unbestritten

„Der Nanomedizin kann die Zukunft gehören. Derzeit stehen jedoch vertiefte Erkenntnisse zum Grundlagenverständnis für die Entwicklung neuer Produkte, deren Anwendung und im Speziellen zu den regulatorischen Anforderungen europa- und weltweit erst am Anfang“, so Flühmann. Ebenso fehlen Fachleute, die in der Industrie, bei den Zulassungsbehörden und in der medizinischen Praxis dringend benötigt werden. Die vielleicht größte Herausforderung besteht laut Flühmann darin, dass die Herstellung die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit der Produkte bestimmt – und die Industrie sicherstellen muss die Produktionsprozesse konstant zu halten, dass die Qualität gewährleistet werden kann. Da sich Nanoarzneimittel ähnlich wie Biologika über den Herstellungsprozess definieren, wird sich in absehbarer Zukunft auch die Frage stellen, wie man davon Nachahmungsprodukte ableiten soll. Als problematisch erweist sich auch die Vermarktung, zumal die Herstellung mit sehr hohen Kosten verbunden ist. „Das erklärt unter anderem, warum noch nicht allzu viele Produkte am Markt sind“, so Flühmann, für den das Potenzial von Nanomedikamenten unbestritten ist. Vor allem in der Präzisionsmedizin, die etwa für die Krebsbehandlung von entscheidender Bedeutung ist, wird die Nanotechnologie als Impulsgeber gehandelt.

 

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