Die Immuntherapie mit sogenannten CAR-T-Zellen hat in einigen klinischen Anwendungen zu beachtlichen Therapieerfolgen für Krebspatientinnen und -patienten mit weit fortgeschrittener Tumorerkrankung geführt. Updates zur Indikationsstellung, die Rolle von Tumorboards sowie der Weg zu fairen Behandlungschancen wurden im Rahmen eines PRAEVENIRE Gipfelgesprächs im Vorfeld der PRAEVENIRE Gesundheitstage im Stift Seitenstetten diskutiert. | von Mag. Renate Haiden, MSc
Eine CAR (Chimeric Antigen Receptor)-T-Zell-Therapie ist eine Immuntherapie, bei der Patientinnen und Patienten körpereigene T-Zellen entnommen werden. Diese werden mit einem Antigen-bindenden Rezeptor ausgestattet, der gegen ein bestimmtes Zielantigen gerichtet ist. Die modifizierten T-Zellen werden wieder in den Körper zurückgeführt und können nun das spezifische Antigen erkennen und die Zielzelle zerstören. „Derzeit gibt es in Europa vier gegen CD19 gerichtete Verfahren, die für eine Behandlung von Lymphomen zugelassen sind. Die Behandlung mit CAR-T-Zellen ist erfolgversprechend, darf aber nur an spezialisierten Zentren durchgeführt werden“, beschreibt Dr. Jakob Rudzki, Clinical CAR-T-Koordinator und Oberarzt an der Universitätsklinik für Innere Medizin V der Medizinischen Universität Innsbruck, die Situation.
Die geringe Toxizität und gute Wirksamkeit der CAR-T-Zelltherapie haben die medizinischen Erwartungen bislang eindeutig erfüllt. „Studien belegen, dass Patientinnen und Patienten, die initial gut auf die Therapie ansprachen, auch im Weiteren einen stabilen Verlauf hatten und eine geringe Zahl an Rezidiven aufwiesen. Die 3-Jahres-Überlebensrate war in einigen Studien bis zu 47 Prozent“, beschreibt Rudzki und ergänzt: „Ein wichtiges Ziel für künftige Studien ist die Identifikation von möglichen Prognosefaktoren, die zu einer verbesserten Indikationsstellung und Kosteneffizienz der Therapie beitragen. Auch eine möglichst frühzeitige Vorstellung von potenziellen Patientinnen und Patienten für eine T-Zell-Therapie könnte den Therapieerfolg verbessern.“
Ein wichtiges Ziel für künftige Studien ist die Identifikation von möglichen Prognosefaktoren, die zu einer verbesserten Indikationsstellung und Kosteneffizienz der Therapie beitragen.
Jakob Rudzki
Ökonomische und strukturelle Rahmenbedingungen
Trotz hoher Therapiekosten kann die CAR-T-Zelltherapie ökonomische Vorteile ausspielen, denn die potente einmalige Anwendung schafft nicht nur Mehrwert für die Betroffenen, sondern reduziert andere Behandlungskosten, beispielsweise von Chemotherapien. Mit der
fortschreitenden Etablierung der innovativen Therapieform im österreichischen Gesundheitssystem – immer mehr Patientinnen und Patienten können behandelt und neue Therapiegebiete eingeschlossen werden – eröffnen sich aber auch neue Herausforderungen. Um einen flächendeckenden Zugang zu dieser Behandlung gewährleisten zu können, braucht es einerseits die passenden finanziellen und politischen Rahmenbedingungen, andererseits auch eine flächendeckende fachliche Expertise.
Obwohl mittlerweile ausreichend Kapazitäten an den Zentren vorhanden sind und die Patientenzahlen steigen, ist die CAR-T-Zelltherapie einigen Betroffenen noch immer nicht oder zu einem sehr späten Behandlungszeitpunkt zugänglich. Es ist daher essenziell, die
Zuweisungssysteme zu optimieren, um möglichst früh jene Patientinnen und Patienten
zu identifizieren, die auch tatsächlich von der CAR-T-Zelltherapie profitieren können. „Die
Aufklärung bei der Patientenzuweisung muss dringend verbessert werden, denn je früher Betroffene kommen, desto größer ist der Behandlungserfolg“, sagt Rudzki. Weiters benötigt es
Unterstützung beim Ausstieg aus der Standardtherapie und die Wahl des richtigen Zeitpunkts
für eine CAR-T-Zelltherapie.
Multidisziplinäre Tumorboards haben sich bezüglich klinischer Entscheidungen als Erfolgsmodell etabliert.
Philipp Staber
Ein attraktives Szenario wäre hier die länderübergreifende Zusammenarbeit mit kleineren
Patientenzahlen im Kontext von Nischenprodukten. „Dazu müssen Wissenschaft und Entwicklung in Österreich gefördert und bürokratische Hürden abgebaut werden“, so Rudzki. Eine enge Kooperation zwischen CAR-T-Zentren und der Pharmaindustrie kann vor allem im
Hinblick auf Indikationserweiterungen budgetäre Planungssicherheit ermöglichen.
Wichtig, so sind sich alle Expertinnen und Experten einig, ist auch ein realistisches Finanzierungsmodell für die Transmissionsphase. Bis der Wettbewerb die Preisgestaltung regelt, brauche es zunächst einen Finanzierungstopf außerhalb der Regelbudgets, am besten solidarisch für alle innovativen Therapieformen in Österreich. Co-finanziert werden solle dieser Topf seitens Bund, Sozialversicherungen, Spitalsträgern und Pharmaindustrie.
Wir müssen den Druck von den Ärztinnen und Ärzten zur ökonomischen Verschreibung nehmen. Zugleich braucht es aber auch die Etablierung eines Monitoring-Systems zur Beobachtung der Versorgungsentwicklung
Bernhard Rupp
Wo steht die CAR-T-Zelltherapie heute?
Um den Behandlungsstandard von Patientinnen und Patienten mit B-Zell-Lymphomen zu
verbessern, wurde 2019 das Austrian CAR-T Cell Network mit derzeit sechs großen Zelltherapiezentren gegründet. Das Ziel des Netzwerks ist eine Optimierung der Routineversorgung und ein Vorantreiben der Wissenschaft auf dem Gebiet der zellulären Therapien gegen maligne Erkrankungen. Eines der ersten Projekte war die Entwicklung eines Algorithmus, der die Indikationsstellung zur CAR-T erleichtern soll und klare Kriterien vorgibt, wann eine CAR-T nicht infrage kommt. Der Algorithmus wird je nach Studienlage zeitnah aktualisiert. Auch ein Anmeldebogen für die Evaluation von potenziellen Patientinnen und Patienten am Zelltherapiezentrum findet sich auf der Homepage des Netzwerks. „Patientinnen und Patienten, die für eine CAR-T-Zelltherapie infrage kommen, haben bereits mindestens eine Therapielinie hinter sich und insgesamt eine eher ungünstige Prognose. Trotzdem profitiert ein wesentlicher Teil von der CAR-T-Zelltherapie und es scheint noch relevantes Verbesserungspotenzial zu geben. Wichtig für weitere gute Betreuung ist eine beständige Zusammenarbeit zwischen den zuweisenden Ärztinnen und Ärzten und den spezialisierten Zentren, um mögliche Kandidatinnen und Kandidaten für die Therapie sowie Risikopatientinnen und -patienten frühzeitig identifizieren zu können“, sagt Rudzki. Dennoch gibt es in Österreich– etwa im Vergleich zu den USA – immer noch wenig Erfahrung im Umgang mit den Produkten
und Schwierigkeiten in der Etablierung. Der zeitliche und personelle Aufwand für die Qualifikations- und Zertifizierungsprozesse, um CAR-T-Zelltherapien durchführen zu können,
ist hoch. Mit jedem Anbieter und jeder Therapiezulassung muss sich ein Zentrum erneut zertifizieren und das Personal muss sich qualifizieren. Einmal mehr sind es die föderalistischen
Strukturen, die es Innovationen schwer machen. Einige Bundesländer verfügen nach wie vor über keinerlei Zentren oder Finanzierungsmodelle.
Die Rolle von Tumorboards
Der enorme Zuwachs an neuen Therapiemöglichkeiten in der Hämatoonkologie macht es
selbst für Expertinnen und Experten manchmal schwierig, den Überblick zu bewahren. „Dennoch können wir Patientinnen und Patienten diagnostisch immer besser charakterisieren, haben immer mehr therapeutische Möglichkeiten und können Therapien individuell gut anpassen. Ein Facharzt kann hier die beste klinische Entscheidung alleine nicht mehr treffen, daher haben sich in diesem Zusammenhang multidisziplinäre Tumorboards als Erfolgsmodell etabliert“, bringt Univ.-Prof. Priv.-Doz. DDR. Philipp Staber von der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie am AKH Wien der Medizinischen Universität Wien die Vorteile auf den Punkt. In den Tumorboards wird die klinische Information zu den Patientinnen und Patienten individuell präsentiert, interdisziplinär abgeglichen, um Qualitätskriterien ergänzt und gegebenenfalls angepasst, bevor es zu einer Therapieentscheidung kommt. „So können wir auch experimentelle Ansätze integrieren, die noch keine Standardtherapie sind“, ergänzt Staber.
Neu im Tumorboard am AKH Wien sind Drug-Screenings, in denen verschiedene Therapeutika
ausgetestet werden. „Die Drug-Response-Reports werden dann dem Tumorboard vorgelegt
und sind aufgrund einer EMA-Empfehlung als Standard zur Beurteilung der Therapieansprechung etabliert“, so der Mediziner weiter. Ein individueller Benefit liegt dann vor, wenn die zuletzt ansprechende Therapie verglichen mit der neuen Therapie eine verlängerte progressionsfreie Zeit ermöglicht.
In den sogenannten EXALT-Tumor-Boards, die sich aus den Lymphom-Boards ergeben haben,
stellen Case Managerinnen und Case Manager über Anmeldeformblätter Patientinnen und
Patienten vor. Zusätzlich werden Pocket-Guides zur Verfügung gestellt, die für bestimmte molekulare Inhibitoren einen raschen Überblick über Besonderheiten und Nebenwirkungen erlauben.
Strukturierte und transparente Zusammenarbeit
Die Optionen für Patientinnen und Patienten, die durch das Drug-Screening und das Aufbrechen von Therapieresistenz eröffnet werden, haben sich unter anderem in einer Studie an
193 gescreenten Patientinnen und Patienten gezeigt: „143 wurden getestet und 56 haben die
empfohlenen Therapiemaßnahmen erhalten. Davon hat über die Hälfte ein Ansprechen auf die Therapie gezeigt“, berichtet Staber. Das Lymphom-Board der MUW trifft sich wöchentlich zur selben Zeit und hat sich als multizentrisches, interdisziplinäres nationales Advisory Board etabliert. „Die strukturierten und transparenten Abläufe sind entscheidend. Sie erlauben eine Vorsortierung und so können wir etwa 20 Fälle pro Woche behandeln“, beschreibt Staber und verweist auf die damit verbundene Qualitätskontrolle. Zudem spielen Tumorboards eine wichtige Rolle in der Aus- und Weiterbildung von Medizinerinnen und Medizinern.
Bisherige Therapien können kritisch bewertet werden und geben damit Impulse, um in den
unterschiedlichen Zentren einheitliche Therapiestandards entwickeln zu können. „Wichtig sind die Vernetzung und der frühe Kontakt, um festzustellen, welche Patientinnen und Patienten
profitieren können“, so Staber.
Dass der Zugang zu bestimmten Therapien in Österreich „länderspezifisch“ unterschiedlich
sein kann, ist nicht neu. Finanzielle Limitationen und die ungleiche Verteilung der Zentren auf die neun Bundesländer stehen oft einer gerechten Verteilung teurer Therapien im Weg.
„Wir könnten jetzt die Gelegenheit nutzen und bis zu den nächsten Verhandlungen zum
Finanzausgleich diese Ungleichheiten beseitigen“, schlägt Dr. Bernhard Rupp, MBA, Gesundheitsexperte der niederösterreichischen Arbeiterkammer, vor. Ein Innovationsfonds
im Rahmen einer erneuerten Artikel 15a B-VG-Vereinbarung wäre eine mögliche Lösung, als nachhaltiges Förderinstrument Brücken zwischen den aktuellen Versorgungsinseln im Gesundheitswesen zu bauen. „Wir müssen auch den Druck von den Ärztinnen und Ärzten
zur ökonomischen Verschreibung nehmen. Für Patientinnen und Patienten braucht es die Regelungen zur Absicherung ihrer Ansprüche auf bestmögliche Therapien. Hand in Hand damit
sollte die Etablierung eines Monitoring-Systems zur Beobachtung der Versorgungsentwicklung
gehen“, fordert Rupp abschließend.
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