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Abbildung neuartiger Therapien im System der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF)

Abbildung neuartiger Therapien im System der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF)

Im Rahmen des 71. PRAEVENIRE Gipfelgesprächs auf der Schafalm in Alpbach wurden Wege und konkrete Anwendungsmöglichkeiten diskutiert, um eine syste­matische Vergütung des Einsatzes von neuartigen Therapien in den Kranken­häusern zu gewährleisten, insbesondere auch an der Schnittstelle zwischen stationärem und niedergelassenem Bereich.

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Rainald Edel, MBA

Periskop-Redakteur

© GERHARD GATTINGER

Das System der leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF) wurde 1997 für die Abrechnung der stationären Spitalskosten implementiert. Es sollte für höhere Kosten- und Leistungstransparenz sorgen und die Entscheidungsfindung über notwendige Umstrukturierungsmaßnahmen nach betriebswirtschaftlichen Aspekten auf Basis fundierter Datengrundlagen erleichtern. In den letzten 20 Jahren wurde das LKF-System sukzessive weiterentwickelt und auf andere Bereiche des intramuralen Bereichs ausgeweitet. In letzter Zeit wurden verschiedene Maßnahmen gesetzt, um die Schnittstelle zwischen niedergelassenem und Spitalsbereich zu verbessern. Um die Schnittstellen zwischen extra- und intramuralem Bereich besser zu gestalten, sind in der Heilmittel-Evaluierungskommission (HEK) des niedergelassenen Bereichs ein Vertreter der Krankenhäuser und in den Medikamentenboards der Krankenhäuser Vertreter der Sozialversicherungen eingebunden.

Im Hinblick auf den anstehenden Umbau des österreichischen Gesundheitswesens mit der Zusammenlegung der diversen Krankenkassen, stellt sich allerdings die Frage, ob das derzeitige LKF-System noch zeitgemäß ist und welche Auswirkungen der Umbau auf die gelebte Praxis in den Bundesländern hat.

© GERHARD GATTINGER

Gesamtkatalog für Ambulanzen und Stationen

Der Katalog ambulanter Leistungen (KAL) wurde vor zwei Jahren mit dem MEL-Katalog (Medizinische Einzelleistungen) zu einem Gesamtleistungskatalog (Leistungskatalog BMASGK) zusammengeführt, der sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich zur Anwendung kommt und als Grundlage für die Abrechnung von spitalsambulanten Patientinnen und Patienten dient. Die Abrechnung in der spitalsambulanten LKF erfolgt nach den APG (Ambulante Pauschalgruppen) und den AMG (Ambulante MEL-Gruppen). Dies sind medizinisch und kostenmäßig homogene Gruppen von ambulanten Leistungen in Analogie zu den LDFs (leistungsorientierten Diagnosenfallgruppen) im stationären Modell. Wurde keine Katalogleistung erbracht, wird eine Basispauschale abgerechnet. Zusätzlich gibt es noch eine pauschale Abgeltung der vorgehaltenen Versorgungsstruktur (Strukturpauschale). Das ambulante Modell ist seit 2019 verpflichtend bundesweit einzusetzen. Die Rückmeldungen aus den Bundesländern zu dieser Neuerung sind durchwegs positiv. „Um beurteilen zu können, ob sich die ambulante LKF bewährt hat, ist der Beobachtungszeitraum allerdings noch zu kurz. Erst wenn die Daten für das Jahr 2019 vorliegen, kann man dazu eine konkrete Beurteilung abgeben“, erklärte Prim. Dr. Ludwig Neuner, Primar an der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Freistadt. Aus seiner Sicht fehle allerdings noch die Diagnosedokumentation. „Das wäre der nächste wichtige Schritt. Das würde zum Beispiel eine Plausibilisierung der Leistungen ermöglichen“, so Neuner. Zusätzlich würde man diesen Baustein auch für ein Fallpauschal-System im niedergelassenen Bereich benötigen.

„Das LKF-System hat das Verdienst, das medizinische Leistungsgeschehen im Krankenhaus transparenter zu machen und die Häuser zur Betriebswirtschaft zu erziehen. Die Integration neuer hochpreisiger innovativer Therapien bringt jedoch das derzeitige LKF-System an seine Grenzen, analysierte Hon. Prof. (FH) Dr. Bernhard Rupp, Leiter der Fachabteilung Gesundheitspolitik der AK Niederösterreich die aktuelle Entwicklung und warf die Frage auf, ob man für diese neuen Herausforderungen nicht kreative Lösungen etwa auf der Grundlage einer grundsätzlich bereits etablierten „Fondslösung“ für ganz Österreich (jedenfalls für den intramuralen aber auch für den extramuralen Bereich) entwickeln sollte, um ökonomischen Druck von den einzelnen Spitälern zu nehmen. Das Zeitfenster dafür steht am Vorabend der neu anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen glücklicherweise offen.

Apotheken in LKF eingebunden

„Auch als Anstaltsapotheke haben wir nun unmittelbar mit LKF zu tun, da die klinisch pharmazeutischen Dienstleistungen für den ambulanten Bereich neuerdings codierbar sind“, schildert Mag. Gernot Idinger, Leiter der Anstaltsapotheke im LKH Steyr. Ebenso werden in einigen Anstaltsapotheken die Zytostatika von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Anstaltsapotheken codiert. Bei der Anwendung von onkologischen Therapien steht bei uns stets der Nutzen für den Patient im Vordergrund. Dies bedeutet, dass innovative onkologische Arzneimittel auch dann zum Einsatz kommen, wenn die LKF Codierung noch nicht möglich ist. „Zu den zuvor angesprochenen LKF-Punkten für die klinisch-pharmazeutische Leistung möchte ich noch ergänzen, dass nur jene aus dem ambulanten Bereich finanziell abgegolten werden. Im stationären Bereich soll nur eine Zählleistung kommen“, ergänzte Mag. pharm. Petra Riegler, Apotheke „Zum Granatapfel“, die in einer Doppelfunktion die öffentliche Apotheke und zugleich die Krankenhausapotheke der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt leitet.

Finanzierung aus einem Topf

„Wenn man auf die letzten beiden Jahre zurückblickt, gab es bei innovativen Medikamenten im Bereich der Onkologie 80 Zulassungen bzw. Erweiterungen der Zulassung. Somit sind in den letzten zwei Jahren mehr Indikationen und Einzelsubstanzen zugelassen worden als in den letzten 30 bis 40 Jahren davor. Das stellt eine Revolution in der Schnelligkeit der Anwendungen dar“, schilderte Dr. Michael Binder, Medizinischer Direktor des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV). Traditionellerweise erhalten Patientinnen und Patienten in der Onkologie hauptsächlich eine krankenhausbasierte Therapie. Das habe sich in den letzten Jahren gewandelt. „Man könnte heute problemlos 80 Prozent der Patientinnen und Patienten in genauso guter Qualität zumindest einer tagesstationären, vielleicht sogar einer nicht-hospitalen Einrichtung zuführen“, so Binder. Es fehle aber an entsprechenden Einrichtungen im niedergelassenen Bereich, einer geeigneten Dokumentation und entsprechenden Strukturen. „Es besteht eine Diskrepanz zwischen der Schnelligkeit der Medizin und der Logistik der Verrechnung. Das heißt, eine Verlagerung in den extramuralen Bereich scheitert an den Verrechnungsmodellen, weniger an den Indikationen“, fasste Binder zusammen. In eine ähnliche Richtung argumentierte auch Andreas Huss, MBA, Stellvertretender Vorsitzender des Überleitungsausschusses der ÖGK: „Eine wünschenswerte Zukunftsvision wäre, dass spitalsambulante Leistungen auch im niedergelassenen Bereich durchgeführt werden. Dies würde vor allem die Ambulanzen entlasten, da sich der Ansturm bei diversen Krankheitsbildern minimieren würde.“ Hier gäbe es ein großes Potenzial, bedürfe aber einiger neuer Regelungen die dabei zu treffen wären. „Wenn schon eine Finanzierung aller Gesundheitsleistungen aus einem Topf politisch nicht durchsetzbar ist, wäre es zumindest ein Ansatz, die Medikamentenkosten aus einem Topf anzudenken“, schlägt Huss vor, um die Abrechnungsproblematik zu entschärfen. „Denn dann hören sich die Diskussionen auf, ob es besser ist, dass Patientinnen und Patienten im Spital oder im niedergelassenen Bereich behandelt werden“, ergänzte er. Zudem sollte man auch über einen gemeinsamen Einkauf nachdenken.

Auswirkungen durch Fusion zur ÖGK

„Die LKF-Punkte sind zu Dokumentationsgründen sehr zu begrüßen und vor allem ein Qualitätskontrollinstrument und möglicherweise künftig ein Steuerungsinstrument, aber auf den Einkauf oder die Budgetierung haben sie keine Auswirkung“, schildert Dr. Edgar Starz, Leiter des Zentraleinkauf der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGES). Spannend sei allerdings die Frage der teuren Leistungen, die statt im niedergelassenen Bereich im Spital verabreicht werden. „Ärztinnen und Ärzte argumentieren, sie bekämen dafür kein oder zu wenig Geld oder es wäre die Haftungsfrage problematisch“, so Starz. In der Steiermark habe man deshalb seit rund 17 Jahren einen Vertrag mit den Kassen, durch den die besonders teuren Medikamente refundiert werden. Dieser Schritt hat sich bewährt. „Auch bei uns gibt es Vereinbarungen mit der Burgenländischen Gebietskrankenkasse, um bestimmte Therapien abzurechnen, die eigentlich im niedergelassenen Bereich verabreicht werden sollten, aber von den Ärztinnen und Ärzten extramural aus diversen Gründen nicht übernommen werden können“, schildert Riegler. Die Expertinnen und Experten waren sich einig, dass nach dem Umbau des österreichischen Gesundheitswesens zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) solche Sonderlösungen eingestellt werden könnten.

„Das LKF-System spielt in der Bewertung und Zulassung von Medikamenten keine Rolle und das ist auch gut so“, betonte DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der Medizinmarktaufsicht in der AGES. Zu den in letzter Zeit immer wieder aufgetauchten Vorwürfen, Preisverhandlungen in Österreich würden überdurchschnittlich lange dauern, zitierte sie eine aktuelle Studie, die feststellte, dass Österreich im Bereich der innovativen Medikamente bei der Vermarktung nach Marktzulassung an 4. Stelle liegt. „Ein Rang der mich positiv erstaunt hat“, erklärte Wirthumer-Hoche. Sorge bereitet ihr, dass immer häufiger Produktionen von Arzneimittel in den asiatischen Raum verlegt werden, und dies einer der Gründe sei, der die Marktverfügbarkeit negativ beeinflusst. Um die Versorgungssicherheit in Österreich zu verbessern, müsse man die Transparenz in der Distributionskette und die Information über die Verfügbarkeit der Arzneimittel erhöhen. „Darum kämpfen wir für eine Meldeverpflichtung der Firmen — entweder wenn ein Produkt gar nicht geliefert werden kann, oder der Bedarf der österreichischen Bevölkerung nicht gedeckt werden kann. Das globale Problem der Lieferengpässe wird sich dadurch nicht komplett lösen lassen, aber Verbesserungen können herbeigeführt werden, und in Fällen, in denen die öffentliche Gesundheit gefährdet ist aufgrund fehlender Arzneimittel, sollte der Parallelexport verboten werden“, so Wirthumer-Hoche.

Teilnehmende

(in alphabetischer Reihenfolge)

Dr. Michael Binder | Medizinischer Direktor des Wiener Krankenanstaltenverbundes

Andreas Huss, MBA | Stellvertretender Vorsitzender des Überleitungsausschusses der ÖGK

Mag. pharm. Gernot Idinger | Leiter der Anstaltsapotheke im LKH Steyr, Lead Buyer Pharmazeutische Produkte GESPAG

Prim. Dr. Ludwig Neuner | Primar an der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am LKH Freistadt

Robert Palmetshofer | Head of Sales Grünenthal Österreich

Mag. pharm. Petra Riegler | Apothekenleitung Barmherzige Brüder Eisenstadt

Hon.-Prof. (FH) Dr. Bernhard Rupp, MBA | Leiter der Fachabteilung Gesundheitswesen, AK NÖ

Dr. Thomas Schöffmann | GF Grünenthal Österreich

Dr. Edgar Starz | Leitung Zentraleinkauf KAGES

DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche | Leiterin der AGES-Medizinmarktaufsicht

Moderation: Mag. Hanns Kratzer, PERI Consulting

www.schafalm-gesundheit.at
www.praevenire.at


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