Die Herz-Thorax-gefäßchirurgische Anästhesie und Intensivmedizin gilt als wichtiges Forschungsgebiet, vor allem da die Leistungen in diesem Bereich in den letzten Jahren zunahmen. So stieg zum Beispiel die Anzahl der Thorax- und Herzoperationen in den letzten fünf Jahren um ein Drittel an. PERISKOP sprach mit Univ.-Prof. Dr. Edda Tschernko, MBA über ihre Forschung sowie Lehrtätigkeit an der MedUni Wien.
Carola Bachbauer, BA
Periskop-Redakteurin
Die Klinische Abteilung für Herz-Thorax-Gefäßchirurgische Anästhesie und Intensivmedizin (Abteilung HTG) wurde 1991 im Rahmen der Neustrukturierung der Wiener Medizinischen
Fakultät als selbständiger Teil der Universitätsklinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin errichtet.
PERISKOP: Mit welchen Aufgaben, Themen und Forschungszielen beschäftigt sich die
Abteilung HTG an der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und
Schmerztherapie der MedUni Wien?
Tschernko: Wir haben wie alle Abteilungen auf der MedUni Wien die Triple-Track-Strategie. Diese setzt sich aus Klinik, Forschung und Lehre zusammen. Die Klinik ist die Grundlage
unserer Forschung und zielt immer auf klinische Verbesserung ab. Die Lehre macht einerseits die heranwachsenden Medizinerinnen und Mediziner mit Themen wie Herz-Kreislauf-Problemen
vertraut und sorgt andererseits für die Rekrutierung unseres Nachwuchses. Unsere Forschung
beschäftigt sich mit klinischen Themen, wie der Verbesserung des Outcomes nach Herzchirurgie
durch Verbesserung der prophylaktischen und therapeutischen Antibiotikagabe, mit der Vermeidung des akuten Nierenversagens nach großen kardio- und thoraxchirurgischen Eingriffen, post- und intraoperativer Antikoagulation nach Kunstherzchirurgie und Herztransplantation. Ein klinischer Schwerpunkt ist die lungenprotektive Beatmung im Operationssaal (OP) und auf der Intensivstation zur Vermeidung von pulmonalen Komplikationen und die automatisierte Entwöhnung von der maschinellen Beatmung auf der Intensivstation. Alle diese Forschungsschwerpunkte zielen auf die Ergebnisverbesserungen ab.
Was unterscheidet die Herz-Thorax-Gefäßchirurgische Anästhesie und Intensivmedizin von der Allgemeinen Anästhesie und Intensivmedizin?
Die Allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin sind in vielen Belangen eine Voraussetzung für die Herz-Thorax-Gefäßchirurgische Anästhesie. Alltagsroutine in unserem Bereich sind die Anlage von invasiven Zugängen, Intubation und die Narkoseführung. Deshalb ist unsere Abteilung für den Ausbildungsstart für manche Anfängerinnen und Anfänger in der Facharztausbildung für Anästhesie und Intensivmedizin zu schwierig.
In diesen Fällen empfehlen wir zuerst eine Basisausbildung in der Allgemeinen Anästhesie zu machen und anschließend zu uns zu kommen. Der erste große Unterschied zur Allgemeinen
Anästhesie besteht darin, dass wir an lebensnotwendigen Organen arbeiten. Im Gegensatz zu einem gebrochenen Bein, brauchen Herz und Lunge während der Operation eine laufende
maschinelle Unterstützung oder einen völligen maschinellen Ersatz und minutiöse Überwachung mit stetiger Aufmerksamkeit. Das führt vor allem bei den jungen Mitarbeitenden sowohl
intra- als auch teilweise postoperativ zu einem großen Druck. Der hohe technisch-maschinelle
Aufwand ist der zweite große Unterschied zur Allgemeinen Anästhesie.
Die internationale Entwicklung der Herz-Anästhesie – zusammen mit der Herzchirurgie
– hatte dazu geführt, dass im Kontext der notwendigen „Intensivtherapie im Operationssaal“ eine sinnvolle, organisch gewachsene Kohärenz der beiden Bereiche „Anästhesie“ und „Intensivmedizin“ entstanden ist. Wie profitieren Patientinnen und Patienten davon?
Die Patientinnen und Patienten profitieren davon, dass wir sowohl im OP als auch auf der Intensivstation als Team agieren. Es gibt sehr viele Schnittstellen zwischen OP und Intensivbereich, an denen Informationen leicht verloren gehen könnten. Wenn die beiden Teams den genauen Ablauf im jeweiligen anderen Bereich kennen, senkt das den Informationsverlust und ermöglicht ein niederschwelliges Nachfragen. Jeder unserer leitenden Oberärztinnen und -ärzte kennt sich jedoch sowohl im OP als auch auf der Intensivstation sehr gut aus und somit ist alles in einer Hand.
Ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt ist die lungenprotektive Beatmung von Intensivpatientinnen und -patienten mit respiratorischen Limitierungen wie ARDS und COPD sowie nach Kardiochirurgie ohne vorbestehende Lungenerkrankung. Welche Rolle spielt die MedUni Wien in diesem Forschungsbereich?
Die MedUni Wien stellt uns wichtige Ressourcen für die Forschung zur Verfügung. Einerseits können wir am Zentrum für biomedizinische Forschung Behandlungsschritte, die an Patientinnen und Patienten nicht standardisiert sind, im Großtierexperiment durchführen. Andererseits bietet uns die vielseitige Kompetenz der MedUni Wien eine sehr gute Möglichkeit zum Wissensund Erfahrungsaustausch. So stehen wir z.B. in enger Zusammenarbeit mit dem Zentrum für
medizinische Statistik, Informatik und intelligente Systeme und der Klinik für klinische Pharmakologien. Diese Kooperationsmöglichkeiten mit Bereichen der Grundlagenforschung sind essenziell für unseren Forschungsfortschritt.
Große gefäßchirurgische Eingriffe wie beispielsweise Operationen an der thorakalen
oder abdominalen Aorta führen zu ausgeprägten hämodynamischen Auswirkungen
auf den Organismus und dadurch – bei in der Regel multiplen Vorerkrankungen der
Patientinnen und Patienten – zu einem hohen perioperativen Risiko. Welche Aufgabe
hinsichtlich der Risikoabklärung übernimmt Ihre Abteilung im Vorfeld eines Eingriffes?
Standard ist, dass jede Patientin und jeder Patient von einer Anästhesistin oder einem Anästhesisten mindestens am Vortag eines Eingriffs gesehen wird. Das ist die Basis und muss auf jeden Fall stattfinden. Darüber hinaus etablieren sich immer mehr Boards. Es gibt das Heartboard für Transkathetereingriffe, das Aortenboard für Aorteneingriffe, wo die Leiterinnen und Leiter z. B. der Gefäßanästhesie anhand der Befunde mit den anwesenden Chirurginnen und Chirurgen genau besprechen, welche Risiken es gibt, aber auch was für den Eingriff benötigt wird. Ich glaube es ist ein großer Vorteil, dass die Herz-Thorax-Gefäßchirurgische Anästhesie und Intensivmedizin hier eine aktive Rolle spielt, vor allem weil wir die Patientinnen und Patienten postoperativ betreuen und daher unmittelbar erleben, welche Ergebnisse bestimmte Eingriffe an diversen Patientenkollektiven zur Folge haben.
Wie ist das Interesse der Studierenden an dem Thema Anästhesie? Profitiert Ihre
Abteilung von dem guten Ruf und der Faszination an der Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie?
Die Abteilung profitiert durchaus. Ich habe z.B. immer viele Bewerberinnen und Bewerber auf
Ausbildungsstellen. Das ist nicht selbstverständlich. Natürlich ist für viele Studierende eine
Herztransplantation, eine Lungentransplantation faszinierend und ein toller Eingriff. Ich bin dankbar, dass mein Team sowohl im OP als auch auf der Intensivstation, die Studierenden
sehr gut betreut, ihnen Arbeitsschritte erklärt und sie diese unter Aufsicht machen lässt.
In der Lehre setzen Sie auf einen verstärkten Einsatz moderner, praxisorientierter Unterrichtsformen für Studierende mittels Simulation. Welchen Impuls möchten Sie damit
dem Forschungsumfeld an der MedUni Wien geben?
Simulation wird immer wichtiger. Sie kann das Arbeiten an der Patientin, am Patienten nicht
ersetzen, aber man erlangt dadurch Routine und somit Sicherheit. Idealerweise ist bei der
Simulation das ganze Team vor Ort. Das hat den Vorteil, dass Abläufe im Vorfeld für das ganze
Team klar sind und nicht erst während einer Notsituation ausdiskutiert werden müssen. Dadurch verbessert sich auch der Outcome für Patientinnen und Patienten.
Biobox
Edda Tschernko studierte Medizin an der Leopold Franzens Universität Innsbruck, wo sie ihre Facharztausbildung (Allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin, Gegenfach Chirurgie) begann und an der Universität Wien abschloss. In den Jahren 1996 bis 1998 führte sie ein Erwin Schrödinger Stipendium an das Department of Pulmonary and Critical Care Medicine der Loyola University, Chicago, USA (Schwerpunkt Atemmechanik bei COPD). Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie als Supervisor (Fachärztin in Oberarztfunktion) an der Abteilung für Herz-Thorax-Gefäßanästhesie und Intensivmedizin und habilitierte sich 1999 im Fach Anästhesiologie und Intensivmedizin. Tschernko ist seit 2007 stellvertretende Leiterin der Klinischen Abteilung für Herz-Thorax-Gefäßchirurgische Anästhesie und Intensivmedizin an der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien. Zudem übernahm Sie mit 1. April 2020 die Professur für Anästhesie und Intensivmedizin mit Schwerpunkt Herz- und Thoraxchirurgie an der MedUni Wien.
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Edda Tschernko studierte Medizin an der Leopold Franzens Universität Innsbruck, wo sie ihre Facharztausbildung (Allgemeine Anästhesie und Intensivmedizin, Gegenfach Chirurgie) begann und an der Universität Wien abschloss. In den Jahren 1996 bis 1998 führte sie ein Erwin Schrödinger Stipendium an das Department of Pulmonary and Critical Care Medicine der Loyola University, Chicago, USA (Schwerpunkt Atemmechanik bei COPD). Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie als Supervisor (Fachärztin in Oberarztfunktion) an der Abteilung für Herz-Thorax-Gefäßanästhesie und Intensivmedizin und habilitierte sich 1999 im Fach Anästhesiologie und Intensivmedizin.
Tschernko ist seit 2007 stellvertretende Leiterin der Klinischen Abteilung für Herz-Thorax-Gefäßchirurgische Anästhesie und Intensivmedizin an der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien. Zudem übernahm Sie mit 1. April 2020 die Professur für Anästhesie und Intensivmedizin mit Schwerpunkt Herz- und Thoraxchirurgie an der MedUni Wien.
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