Das Immunsystem ist bei einer Vielzahl an Erkrankungen involviert. Nicht immer ist dessen Beteiligung offensichtlich. Teilweise führen auch ungewünschte Reaktionen des Immunsystems zu lebensbedrohlichen Situationen. Univ.-Prof. Dr. Marta Rizzi von der MedUni Wien ist diesen Phänomenen im Bereich der B-Zellen auf der Spur.
Carola Bachbauer, BA
Periskop-Redakteur
Die Präzisionsmedizin und der damit verbundene Wunsch, Krankheiten besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu finden, machen die Immunologie zu einem zentralen Baustein im Behandlungsansatz. Speziell die klinisch experimentelle Immunologie liefert neue Erkenntnisse über die Funktionsweise des Immunsystems auf individueller Patientenebene.
PERISKOP: Sie haben im Juni 2022 die Professur für Klinisch Experimentelle Immunologie an der MedUni Wien übernommen. Mit welchen Fragestellungen beschäftigt sich das Institut für Klinisch Experimentelle Immunologie?
RIZZI: Wir sind Teil des Instituts für Immunologie an der MedUni Wien. Die klinische Immunologie umfasst alle Bereiche des humanen Immunsystems – sowohl das kranke als auch das gesunde Immunsystem. Die Fragestellungen, die an uns gerichtet werden, kommen aus dem klinischen Bereich durch Beobachtung der Patientinnen und Patienten. Daher ist die Immunologie lange Zeit ein Querschnittsfach gewesen, da das Immunsystem bei vielen Krankheiten beteiligt ist. In den letzten Jahren hat generell die Bedeutung der klinischen Immunologie zugenommen, da sie eine wichtige Rolle im Verständnis von Krankheiten innehat. Jede Entzündung ist ein immunologischer Prozess. Wir kennen die immunologischen Prozesse und versuchen mit unserem Wissen die Manifestation einer Erkrankung zu erklären, aber auch wie Therapien funktionieren, welche Zielbereiche man genauer untersuchen sollte, um die Patientinnen und Patienten besser behandeln zu können. So steht meine Abteilung beispielsweise in enger Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen, wie Rheumatologie, Infektiologie, Dermatologie und Hämatologie.
Wie sieht eine Abklärung einer entzündlichen Reaktion in der Praxis aus?
Wir bekommen von der betreuenden Station eine Sammlung von Bioproben, wie Blutbestandteile, Haut- oder Gewebeproben ihrer Patientinnen und Patienten. Mit Hilfe von Hochdurchsatzanalysen schauen wir, welche Zellen, welche Moleküle vorhanden sind und welche Unterschiede es zu gesunden Zellen gibt. In einem weiteren Schritt wird untersucht, ob es Biomarker gibt, die eine Aussage über den Verlauf und Schweregrad der Erkrankung Auskunft geben könnten. Die dritte Ebene betrifft die sogenannten Target-Therapien. Ziele von Therapien können nicht nur Zellen, sondern auch Prozesse, bestimmte Transkriptionsfaktoren oder Signalwege sein. Wenn dieses Target an einer bestimmten Zelle – für uns sind vor allem die B-Zellen wichtig – feststellbar ist, dann wird untersucht, welche Auswirkung das im gesamten Krankheitsverlauf hat und sich darüber der Krankheitsverlauf beeinflussen lässt.
Gemeinsam mit Ihrem Team ist es Ihnen gelungen mittels innovativer Modellierungswerkzeuge die Dynamik des Verhaltens menschlicher B-Zellen in vitro zu untersuchen. Wie profitieren Patientinnen und Patienten davon?
Wir erforschen die Entwicklung und Funktion der B-Zellen. Um die Reifung der B-Zellen zu verstehen, entnehmen wir dazu der Patientin, dem Patienten hämatopoetische Stammzellen und lassen diese zu B-Zellen in vitro heranreifen. Wachsen keine B-Zellen, haben die Patientinnen und Patienten einen Defekt, der diesen Reifungsprozess verhindert. Genetische Defekte können der Grund für solche Ergebnisse sein. Um den Aufbau von Antikörper und Immungedächtnis zu studieren, kultivieren wir B-Zellen von Blut oder Lymphoid-Organen und versehen sie mit verschiedenen Stimuli. Gibt es hier Auffälligkeiten oder Abweichungen zum erwarteten Verhalten der Zellen, kann dies ein Schlüssel Richtung Therapie sein. Diese in Vitro-Modelle erlauben uns am menschlichen Körper zu forschen, im Gegensatz zur herkömmlichen Forschung an Tieren. Die Forschung an Tieren ist absolut wichtig, allerdings in manchen Fällen ist es notwendig, das gesamte menschliche System zu berücksichtigen, das in Teilbereichen anders als bei Tieren funktioniert.
Sie haben sich das Ziel gesetzt, ihr Institut zu einer Drehscheibe für die B-Zell-Forschung zu machen – welchen Impuls möchten Sie geben?
Die B-Zellen-Immunologie ist für viele Fachgebiete wie Rheumatologie, Infektiologie, Neurologie, Dermatologie und Kardiologie von Bedeutung. Aufgrund dessen ist ein interdisziplinärer Austausch sehr wichtig.
Wie sehen sie die Forschungsmöglichkeiten in Wien im internationalen Vergleich?
Was mich an der MedUni Wien beeindruckt, ist die Leidenschaft an der Forschung und das akademische Umfeld. Die lebendige Atmosphäre der Universität hat mich dazu bewogen, hier her zu kommen. Man merkt, dass die MedUni Wien in Erneuerung und Verbesserung investiert und einen Forschungsbeitrag für die Zukunft leisten möchte. Hinzu kommt eine sehr offene und kollegiale Umgebung. Ein weiterer Punkt, der mich begeistert, ist die Internationalität.
Biobox
Marta Rizzi studierte Medizin an der Universität Genua, ihr PhD-Studium in Klinischer und Experimenteller Immunologie absolvierte sie in Genua und an der University of California in San Diego (USA). Nach ihrer Facharztausbildung in Allergie und Immunologie in Genua arbeitete sie als Postdoc an der Universität Freiburg, wo sie sich im Fach Experimentelle Medizin habilitierte. Seit 2014 arbeitete sie als Forschungsgruppenleiterin an der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie am Universitätsklinikum Freiburg. Mit Juni 2022 übernahm Marta Rizzi die Professur für Klinisch Experimentelle Immunologie an der MedUni Wien.
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