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Die Normalität folgt auf Immunität

© THERME Wien

Die Normalität folgt auf Immunität

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Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht, Vorstand der Abteilung für Lungenheil­­kunde am Kepler Universitätsklinikum in Linz, und sein Team sind von Anbeginn der SARS-CoV-2-Pandemie mit COVID-19-Patientinnen und -Patienten konfrontiert. „Wir haben einiges gelernt, was die Behandlung angeht. Um die Pandemie zu überwinden, werden wir aber 60 bis 70 Prozent der Menschen per Impfung schützen müssen“, sagte er jetzt im Gespräch mit PERISKOP. Auch hier gebe es noch viel zu tun. | von Wolfgang Wagner

Was die Zukunft rund um Covid-19 betrifft, sieht der Pneumologie die Situation klar: „Ich würde sagen: Die Normalität folgt auf Immunität. Derzeit besitzen etwa zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung Immunität gegen SARS-CoV-2. Das sind die drei Prozent Geimpften und wahrscheinlich etwa sieben Prozent, welche die Infektion hatten. Damit sind eben 90 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher noch nicht geschützt“, sagte Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht.

Entscheidend sei, dass man mit den Impfungen an Prozentanteile in der Bevölkerung herankomme, die 60 oder besser 70 Prozent betragen. Das sei jener Prozentsatz, mit dem man an den sogenannten Herdenschutz herankomme. Allerdings, bisher hat sich gezeigt, dass die Vakzine vor allem einen Individualschutz vor einer Covid-19-Erkrankungen bringen.

Ein Problem liegt auch darin, dass die Covid-19-Impfstoffe bisher erst für Personen ab frühestens 16 Jahren zugelassen worden sind. Somit bleibt zunächst eine erhebliche Gruppe von Personen bestehen, die durch die Impfung nicht geschützt werden kann und in der sich die Infektion weiter verbreiten kann. Positive Zukunftsaussichten gibt es laut Lamprecht jedenfalls: „Das ist natürlich die Coronaimpfung. Dann aber könnte es in Zukunft auch Möglichkeiten für eine Postexpositionsprophylaxe mit monoklonalen Antikörpern geben. Und schließlich sollten in einigen Wochen auch die ersten Ergebnisse aus einer Studie von Josef Penninger mit APN01 als Medikament bei Covid-19 vorliegen. Da wird man sehen, wie das einzuordnen ist.“ APN01 ist rekombinant hergestelltes ACE2-Enzym, das nach der Verabreichung die Bindungsstellen des SARS-CoV-2-Virus blockieren soll.

90 Prozent der COVID-19-Erkrankungen sind keine schweren Verläufe. Lediglich zehn Prozent müssen ins Krankenhaus aufgenommen werden.

Priv.-Doz. Dr. Bernd Lamprecht, Vorstand der Abteilung für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum in Linz

Erhebliche Probleme am Beginn

Wobei Lamprecht nicht verhehlt, dass auch die österreichische Medizin zu Beginn der COVID-19-Pandemie durchaus Probleme mit der neuen Situation hatte. „Man muss schon sagen, dass man sich am Beginn der ganzen Tragweite von SARS-CoV-2 nicht bewusst war. Im Jänner 2020 hat man eher eine eventuell aufkommende große Influenza-Welle als Problem gesehen. Dabei hätte man doch auch mit MERS und SARS gewarnt sein können. Aber die Infektiosität von SARS-CoV-2 hat uns doch überrascht“, erklärte der Pneumologe.

Die SARS-Infektionen mit rund 8.000 Fällen und knapp 800 Todesopfern weltweit waren nach dem Aufflammen von Ausbrüchen 2002/2003 wieder verschwunden, MERS-Infektionen hat es bisher fast nur im Nahen Osten gegeben.

Freilich, auch die Universitätsklinik in Linz und Lamprechts Abteilung waren bald mitten im österreichischen Pandemie-Geschehen: „Es hat nicht so lange gedauert, bis ich an einem Abend angerufen worden bin und über das erste positive Testergebnis informiert wurde, bis wir die erste Patientin oder den ersten Patienten stationär aufgenommen haben.“

Hier ging es um das Management in der Versorgung der direkt Betroffenen, um die gesicherten Informationen für die Angehörigen und die Hygienevorkehrungen im Spitalsbetrieb. „Mittlerweile überblicken wir an meiner Abteilung mehr als 1.000 Covid-19-Fälle. Wir hatten am Anfang viel mehr Covid-19-Kranke im Spital, weil es die extreme Sorge gab, wie der Verlauf der Erkrankung sein würde. Nach dem Sommer sind zu uns ins Spital nur noch die Patientinnen und Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf gekommen“, erklärte der Pneumologe. Hätte es bereits im Früjahr 2020 so viele Infektionen und Erkrankungen wie im Herbst gegeben, hätte die Situation im Gesundheitswesen und in den Spitälern wohl viel kritischer ausgesehen.

„Es bleibt aber so. 90 Prozent der COVID-19-Erkrankungen sind keine schweren Verläufe. Zehn Prozent müssen ins Krankenhaus aufgenommen werden, 15 bis 20 Prozent dieser Patientinnen und Patienten müssen schließlich intensivmedizinisch versorgt werden. Wir sehen einen relativ hohen Anteil der schweren Verläufe bei Älteren, einen niedrigeren Anteil bei jungen Menschen, aber auch die gibt es“, stellte Lamprecht zu den Erfahrungen fest.

Wobei nicht alle anfänglichen Befürchtungen zu Covid-19-Risiko-Konstellationen eingetreten sind. „Asthmapatienttinnen und -patienten, bei denen die chronische Erkrankung gut unter Kontrolle ist, haben kein erhöhtes Risiko. Bei den COPD-Patientinnen und -Patienten sehen wir, dass sie auch nicht besonders häufig unter unseren Patientinnen und -Patienten repräsentiert sind. Aber sie halten sich oft besonders strikt an Ausgangsbeschränken und sonstige Vorkehrungen. Wenn sie aber doch eine SARS-CoV-2-Infektion haben, weisen sie eben ein zwei- bis dreifach höheres Risiko für einen schweren Verlauf auf“, sagte der Pneumologe.

Ein relativ hoher Anteil der schweren Verläufe ist bei Älteren ersichtlich, ein niedrigerer Anteil bei jungen Menschen.

Mehr Wissen

Mittlerweile gibt es eindeutig mehr Wissen in der Medizin, was Management und Behandlung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten angeht. „Auch das ist eine Veränderung im Vergleich zum Frühjahr 2020. Wir können Medikamente gezielter einsetzen. So haben wir gelernt, dass Covid-19 zumindest in zwei Phasen verläuft. In der Frühphase kann man Remdesivir, das gegen das Ebola-Fieber entwickelt worden ist, einsetzen. Dann gibt es Antikörperpräparate, die ebenfalls die Virus-Load reduzieren können. Entscheidend ist — ähnlich wie bei Influenza-Medikamenten — die frühe Anwendung, z. B. innerhalb von 48 Stunden“, erklärte der Linzer Pneumologe. Mit den Antikörperpräparaten eröffne sich eventuell auch eine Möglichkeit, diese bei Risikopersonen bereits außerhalb der Spitäler anzuwenden, um schwerere Verläufe von Anbeginn zu verhindern.

„Corticoide machen hingegen am Beginn keinen Sinn, weil sie die Immunantwort dämpfen. Aber mit Dexamethason hat man bei schwerem Krankheitsverlauf die Mortalität um etwa 30 Prozent senken können. Bei schwerkranken Covid-19-Patientinnen und -Patienten ist die Mortalität allerdings weiterhin hoch“, schilderte der Experte. Und schließlich ein verändertes Management im Beatmungsmanagement: Hier hält man mittlerweile möglichst lang an High-Flow-Sauerstoffversorgung über Nasenbrillen oder Masken fest. Möglichst spät komme es erst zur invasiven maschinellen Beatmung, sagte der Pneumologe.

So ist für Lamprecht SARS-CoV-2 auch ein Lernprozess für die Gesellschaft insgesamt. „Ich persönlich würde viele Diskussionen lieber mehr auf sachlicher Ebene sehen. Ein Beispiel dafür ist der Mund-Nasen-Schutz. Meines Erachtens wäre z. B. ein Mund-Nasen-Schutz in der Schule schon zumutbar. Auch das Thema der Übersterblichkeit durch Covid-19 ist wie eine Glaubensfrage behandelt worden.“

Fotocredit: © THERME Wien 

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