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Führungswechsel bei Pfizer Österreich

Portrait Nicole Schlautmann
© Katharina Schiffl

Führungswechsel bei Pfizer Österreich

Portrait Nicole Schlautmann
© Katharina Schiffl

Seit November 2022 ist Nicole Schlautmann Country Managerin der Pfizer Corporation Austria. Damit steht sie an der Spitze der Pfizer Vertriebsniederlassung in Wien, die 220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt und rund 100 Medikamente am österreichischen Markt vertreibt. PERISKOP sprach mit Nicole Schlautmann über ihre Pläne und Schwerpunkte, Datennutzung und globale wie persönliche Verantwortung.

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Mag. Dora Skamperls

PERISKOP-Redakteurin

Seit der COVID-Pandemie ist das Pharmaunternehmen Pfizer in aller Munde. Seit 170 Jahren entwickelt und produziert Pfizer Arzneimittel. Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 83.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagiert sich stark in der Forschung zu innovativen Wirkstoffen, u. a. im Bereich der Gentherapien. Pfizer in Österreich hat innerhalb des globalen Unternehmensnetzwerkes einen besonderen Stellenwert, nicht zuletzt durch die Produktionsstätte (Pfizer Manufacturing) in Orth an der Donau.

PERISKOP: Sie sind seit rund neun Jahren für Pfizer tätig. Was fasziniert Sie an diesem Unternehmen, was zeichnet es aus?

SCHLAUTMANN: Für mich hat die Arbeit bei Pfizer zwei Säulen, die mich faszinieren und antreiben. Das eine ist die Wissenschaft – nicht erst seit der Pandemie sind wir von unserer Mission „Science will win“ geleitet. Ich bin an Naturwissenschaften, insgesamt an Wissenschaft interessiert und zum anderen ist das, was wir machen, auf medizinische Durchbrüche fokussiert. Wir entwickeln Medikamente, die einen klaren positiven Einfluss auf das Leben von Menschen und damit der Gesellschaft insgesamt haben können.

Die zweite Säule, die mir genauso wichtig ist, ist das Team. Es sind ganz neue und moderne Arbeitsbilder bzw. Jobprofile entstanden und weiter in Arbeit. Wir setzen stark auf agile Arbeitsweisen und sind darauf fokussiert, dass wir die technologischen Möglichkeiten, die wir heute schon haben, auch nutzen – auf der wissenschaftlichen Seite, um Medikamente zu entwickeln, aber auch, um die Rahmenbedingungen der Mitarbeitenden optimal zu gestalten. Dann auch, um die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten zu fördern. Das macht mich unheimlich stolz.

Sie haben zuvor den Bereich Rare Diseases in Deutschland geleitet – ein Gebiet, das in Ihrer Karriere bislang eine große Rolle gespielt hat. Welchen Stellenwert haben Forschung und Entwicklung für Seltene Erkrankungen und Gentherapien bei Pfizer und für die Versorgung in einem solidarischen Gesundheitssystem?

Ich bin sehr von der Maxime angetrieben, dass jede und jeder Anspruch auf eine wirksame und gut verträgliche Therapie hat. Dabei sollte es nicht relevant sein, ob eine Erkrankung häufig oder selten ist. Als großes Unternehmen können wir auf Ressourcen zurückgreifen, die es uns ermöglichen, im Bereich der Seltenen Erkrankungen viel zu erreichen – so etwa bei Gentherapien. Vieles, was wir bei den Rare Diseases lernen, ist auch über diesen Bereich hinaus wichtig. Wie zum Beispiel, dass wir die Patientinnen und Patienten mehr in den Fokus des Gesundheitssystems setzen müssen. Wir sollten nicht vom Elfenbeinturm heraus entscheiden, wie das System aussehen soll, sondern aus der Perspektive der Patientinnen und Patienten. So gut das System ist – es gibt auch viele Chancen und Möglichkeiten, es einfacher für Anwendende und kosteneffektiver für die Gesundheitskassen zu gestalten. Zudem müssen wir sicherstellen, dass wir die Chancen, die der medizinische Fortschritt heute bringt, nicht verpassen.

Ich bin sehr von der Maxime angetrieben, dass jede und jeder Anspruch auf eine wirk- same und gut verträgliche Therapie hat.

Sie haben einen erfolgreich geführten und zukunftsorientierten Standort übernommen. In welche Richtung wollen Sie die Pfizer Corporation Austria weiterentwickeln, welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Es ist ein großartiges Team, das sehr dynamisch und motiviert ist und mich sehr offen aufgenommen hat. Ein besseres Fundament für alles, was wir noch erreichen wollen, können wir gar nicht bekommen. Die wichtigen nächsten Schritte sind: die Patientinnen und Patienten noch mehr in den Fokus zu bringen. Dafür haben wir ein Department aufgestellt, das sich ganz bewusst mit der Patient Journey auseinandersetzt. Dieses Team wird mit den Patientenorganisationen, den Fachgesellschaften, der Politik und mit Vertretern des Erstattungswesens sprechen, um zu sehen, wie wir das Ganze gemeinsam weiterentwickeln können. Mit einem gemeinsamen Verständnis für die großen Hürden werden wir uns für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem einsetzen, das sich stärker als bisher an den Interessen von Patientinnen und Patienten orientiert.

Das zweite für mich essenzielle Thema ist die effektive Nutzung aller neuen, digitalen Kanäle für unsere Kommunikation, Stichwort Omnichannel-Approach. Wenn wir als Länderorganisation ein innovatives Medikament in die Hände bekommen, das potenziell Menschenleben retten kann, und wir nutzen nicht alle Möglichkeiten der Kommunikation und der digitalen Technologie, um sicherzustellen, dass alle Behandelnden dieses Medikament kennen, dann haben wir unseren Job nicht richtig gemacht. Diese Verantwortung nehme ich sehr ernst und das Unternehmen ebenso.

Der dritte Aspekt, der mir persönlich wichtig ist: Ich glaube, dass wir die Herausforderungen sowohl des Unternehmens als auch gesamtgesellschaftlich nur lösen können, wenn wir als Unternehmen die Gesellschaft, die wir mit unseren Therapien unterstützen, auch repräsentieren. Verabsäumen wir das, wissen wir nicht, was Teile der Gesellschaft brauchen, wie wir kommunizieren müssen, um diese abzuholen und zu informieren.

Stichwort digitale Transformation: Wie sieht Ihre diesbezügliche Vision aus, an welchen Stellschrauben und Parametern muss gedreht werden, um dies Realität werden zu lassen?

Ich habe mit vielen Patientenorganisationen in den letzten 15 Jahren zusammengearbeitet. Datenschutz ist immens wichtig, er wird mir heute aber nicht differenziert genug diskutiert. Es wird sehr oft nur auf den Schutz von Daten fokussiert, nicht aber auf die Möglichkeiten, die uns sinnvolle Anwendung von Daten bringen. Warum sprechen wir nicht über Patientinnen oder Patienten, die aufgrund der strukturierten Zusammenführung ihrer Daten in einem Algorithmus oder mit KI-gestützter Bildgebung überlebt haben? Es wäre wichtig, diese Diskussion signifikant ausgewogener zu führen. Der Grund, warum ich hier so emotional werde, ist zum einen – da stehen Menschenleben dahinter. Der zweite Grund ist, wir haben in Österreich im Gegensatz zu vielen anderen Ländern wesentlich besseres Wissen darüber, wie wir Daten so aufstellen, dass diese auch besser geschützt sind. Wir wären in der Lage, in der Erforschung von Datensystemen eine Vorreiterrolle einzunehmen. Und zwar mit solchen Systemen, die mit guter Datensicherheit aufgestellt sind. Kriminelle Elemente wird es immer geben – aber lassen wir uns doch von dieser Angst nicht alle Chancen nehmen.

Der zweite zentrale Aspekt ist die Kommunikation. Wie bekommen wir eine Kommunikation hin, die diesen komplexen Sachverhalt einfach zugänglich für alle darstellt? So, dass eine ausgewogene Meinungsbildung möglich ist, weg von diesem Gegeneinander und dem Extremen hin zu den Fakten: Was habe ich davon, wenn ich meine Daten der Forschung zur Verfügung stelle? Was hat die Gesellschaft davon?

Es ist mir wichtig, klar zu formulieren: Das Coronavirus ist gekommen, um zu bleiben.

Pfizer hat ein sehr vielfältiges Portfolio und eine vielversprechende Pipeline. Welchen Beitrag leistet die österreichische Niederlassung im Bereich Forschung und Entwicklung, aber auch in der Produktion und Versorgung?

Österreich hat eine zentrale Bedeutung für das globale Unternehmen, sowohl unsere Niederlassung in Wien als auch unsere Produktionsstätte in Orth. Die Agilität und die Bereitschaft, Innovationen voranzutreiben und auch mal etwas auszuprobieren, sind im österreichischen Team ungemein hoch. Das heißt, ich kann Projekte pilotieren, neue Ideen vorantreiben. Wir sind weit vorne im Bereich digitale Kommunikationsmöglichkeiten, da können die Kolleginnen und Kollegen anderer Länderniederlassungen auch einiges von uns lernen. Das zeichnet Pfizer übrigens seit jeher aus, dass auch die lokalen Besonderheiten erkannt, gefordert und gefördert werden. Zudem haben wir mit der Pfizer Manufacturing, die mein Kollege Martin Dallinger sehr erfolgreich in Orth führt, eine zentrale Rolle innerhalb des Unternehmens. Hier werden zwei Impfstoffe für den weltweiten Export hergestellt und auch Qualitätsfreigaben für andere Impfstoffe durchgeführt.

Wie wichtig sind Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele für die öffentliche Wahrnehmung eines Unternehmens?

Das eine ist die Wahrnehmung am Markt und das andere ist die persönliche Überzeugung – nicht nur von mir, sondern auch von unserem CEO Albert Bourla. Pfizer Global setzt sich wissenschaftsbasierte Ziele zur Treibhausgasreduktion und hat sich verpflichtet, seine Emissionen bis 2040 auf Netto-Null zu senken. Als Unternehmen können wir die Gesellschaft nicht nachhaltig unterstützen, wenn wir unsere Klimaziele nicht erreichen. Wir nutzen diese Vorreiterrolle auch als Vorbildfunktion. Deshalb finde ich es wichtig, diese Ziele spezifisch zu formulieren und messbar nachzuverfolgen. Und das tut das Unternehmen global und selbstverständlich auch auf lokaler Ebene.

Mit einer gewissen Position kommt auch eine Verantwortung. Die Verantwortung liegt nicht nur darin, das Unternehmen so erfolgreich wie möglich zu führen, sondern bezieht sich auf die Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeit auf Gesellschaft und Umwelt.

Wir sollten nicht vom Elfenbeinturm heraus entscheiden, wie das System aus- sehen soll, sondern aus der Perspektive von Patientinnen und Patienten.

Pfizer hat sich in der Coronapandemie maßgeblich im Bereich Impfstoffentwicklung und Herstellung sowie in der Entwicklung einer antiviralen Therapie engagiert. Am Übergang von der Pandemie zu einer endemischen Erkrankung stellt sich die Frage, welche Auswirkung hat dieses Engagement auf die zukünftigen Aktivitäten bei Pfizer?

Es ist mir wichtig, klar zu formulieren: Das Coronavirus ist gekommen, um zu bleiben. Wir müssen als Gesellschaft damit weiterleben. Wir haben Werkzeuge in der Hand, um dieses Leben so optimal wie möglich zu gestalten. Es gibt Impfstoffe, es gibt antivirale Medikamente. Wir müssen sicherstellen, dass diese auch sinnhaft genutzt werden. Long COVID betrifft zehntausende Menschen in Österreich, von denen viele monatelang am Arbeitsmarkt ausgefallen sind. Was das wirtschaftlich mit einem Land macht, darf man durchaus einmal diskutieren. Das sind Arbeitskräfte, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen – wir dürfen diesen Impact nicht unterschätzen.

Wenn Sie fragen, was hat das mit dem Unternehmen gemacht: unglaublich viel. Wir setzen uns im Denken keine Grenzen. Die Arbeitsweise hat sich grundlegend verändert. Wir stellen an uns selbst viel höhere Ansprüche, was Ziele angeht.

Das Thema Liefereinschränkungen beschäftigt die pharmazeutische Industrie, das Gesundheitswesen in Österreich und ist weltweit ein „heißes Eisen“. Welche Möglichkeiten sehen Sie aus Herstellersicht, um in den einzelnen Ländern bzw. Regionen resilienter zu werden?

Der Produktionsprozess von pharmazeutischen Produkten ist sehr komplex, oftmals braucht es mehrere Produktionsstätten, um ein Arzneimittel herstellen zu können. Neben der Produktion per se werden Rohstoffe und Technologien benötigt. Daher ist eine Produktion sicher(er), wenn man auf ein weltweites Netzwerk zurückgreifen und auch weltweite Lieferketten nutzen kann und Alternativen hat, damit Waren und Material ungehindert fließen können. Resilienz in den Produktionsprozessen kann daher mehr Sicherheit bringen, als die Produktion im eigenen Land zu haben. Wir versuchen – gerade, wenn es um essenzielle Medikamente geht –, die Prozesse so aufzustellen, dass es einen Plan B gibt. Die Problematik der Lieferengpässe können wir aber nicht allein als Industrie, sondern nur gemeinschaftlich lösen.

Was mir in Österreich sehr positiv auffällt, ist die Gesprächsbereitschaft aller Beteiligten, sowohl innerhalb der Pharmaindustrie, also zwischen den verschiedenen Firmen, als auch mit den anderen Stakeholdern. Da ist in Österreich eine Kultur, die das lebt.

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