2030 soll keine Frau mehr an Gebärmutterhalskrebs erkranken, so die Vision der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Neben der Forcierung der HPV-Impfung ist dafür der flächendeckende Einsatz eines HPV-Tests für Frauen ab dem 30. Lebensjahr notwendig. Im Rahmen des 75. PRAEVENIRE Gipfelgesprächs im Servitenviertel wurden mögliche Barrieren diskutiert und neue Lösungsansätze entwickelt, wie in Österreich jeder Frau ein kostenfreier Zugang zu umfassender Zervixkarzinom-Vorsorge geboten werden kann. | von Mag. Sabine Primes
Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) ist fast ausschließlich auf eine lang andauernde Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV) zurückzuführen. Die WHO hat klare Zielsetzungen festgesetzt, was die Behandlung und Prävention von HPV-Infektionen und im weiteren Verlauf Zervixkarzinomen betrifft. 2030 soll keine Frau mehr an Gebärmutterhalskrebs erkranken, so die Vision. Neben der HPV-Impfung trägt zusätzlich der flächendeckende Einsatz eines HPV-Tests bei Frauen ab 30 Jahren dazu bei. Denn in Österreich wird jedes Jahr rund 5.000 Mal aufgrund einer Vorstufe von Gebärmutterhalskrebs operiert. Nach wie vor erkranken jährlich etwa 400 Frauen an dieser Krebsart, etwa 150 Frauen sterben an den Folgen. Es ist wichtig, dass auch in Österreich die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit diese Vision der WHO umgesetzt werden kann und jeder Frau der kostenfreie Zugang zu einer umfassenden Versorgung geboten wird. Konkret sollen die Kosten für den HPV-Test von der neu geschaffenen Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und idealerweise auch den anderen Sozialversicherungsträgern übernommen werden. Diesem Thema widmete sich das 75. PRAEVENIRE Gipfelgespräch im Servitenviertel Ende November.
Status quo
„Es gibt noch viel Aufholbedarf, um den Wissensstand der österreichischen Bevölkerung in Bezug auf Prävention von Gebärmutterhalskrebs zu verbessern“, betonte Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Abteilungsvorstand der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung im Krankenhaus Hietzing. Schließlich könne am Beispiel Australien bewiesen werden, dass durch eine zumindest 90-prozentige Durchimpfungsrate HPV-induzierte Krebs-erkrankungen regelrecht ausgerottet werden können. Jedoch sind wir noch Jahrzehnte von einer solchen Durchimpfungsrate entfernt. Unabhängig davon sollte jedoch der HPV-Test laut Empfehlung der Fachgesellschaften angewendet werden.
Position der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG)
Seitens der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) wurde 2018 die „Gemeinsame Leitlinie der OEGGG, der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie (AGO), der Arbeitsgemeinschaft Kolposkopie (AGK) und der Österreichischen Gesellschaft für Zytologie (ÖGZ) zur Diagnose und Therapie von Cervikalen Intraepithelialen Neoplasien sowie Vorgangsweise bei zytologischen Befunden mit eingeschränkter Qualität“ publiziert, welche klare Empfehlungen für die Prävention von Gebärmutterhalskrebs enthält. In dieser Leitlinie wird — unter anderem — allen Frauen ab dem 30. Lebensjahr zumindest alle drei Jahre ein HPV-Test empfohlen. Der große Vorteil eines solchen Tests besteht darin, dass er sensitiver und zudem einfacher zu interpretieren ist als ein herkömmlicher Krebs-abstrich. Dadurch kann die Zahl falsch-negativer Ergebnisse stark reduziert werden. „Die Österreichische Krebshilfe schließt sich diesen Empfehlungen voll-inhaltlich an“, so Krebshilfe-Präsident Sevelda.
Notwendige Maßnahmen
„Der erste Schritt muss sein, dass diese neuen Empfehlungen bei der Ärzteschaft ankommen und diese zu 100 Prozent dahintersteht“, postulierte Sevelda. Um die Bevölkerung dann zu erreichen, müsse die Bewusstseinsbildung der österreichischen Gesellschaft forciert werden. „In der Rezeption der Bevölkerung ist HPV ein Frauenproblem, was nicht stimmt“, brachte die Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwältin Dr.inSigrid Pilz einen weiteren Aspekt aufs Tapet. Nationalratsabgeordnete Gaby Schwarz hakte ein: „Wir brauchen einen niederschwelligen Zugang für alle Frauen zu diesem Thema.“
Die Frage der Kostenübernahme
Um auch in Österreich die Ziele der WHO erfüllen zu können, brauche es die geeigneten gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die Kostenübernahme des HPV-Tests, der als reine Vorsorgemaßnahme aktuell in den meisten Fällen privat bezahlt werden muss, ist die zentrale Forderung an die politischen Entscheidungsträger. Man sei auf einem guten Weg, meldete sich Mag. Martin Schaffenrath, Arbeitnehmervertreter des Überleitungsausschusses der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK)1, zu Wort. Momentan sei man noch dabei, das Präventionsbudget zu definieren, klärte er über die finanzielle Situation auf und zeigte eine Möglichkeit der Finanzierung. Gleichzeitig war sich die Gruppe jedoch einig, dass beim Mamma–Screening einige Fehler gemacht wurden und hier noch Verbesserungspotential bei der Einführung von Vorsorgeprogrammen besteht. Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, PhD, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, schloss sich den Standpunkten und Forderungen der wissenschaftlichen Fachgesellschaft vollinhaltlich an. Des Weiteren betonte er die Erhöhung der Ergebnisqualität durch den Einsatz eines HPV-Tests.
Qualitätssicherung im Fokus
Bei der Wahl des Tests sei unbedingt darauf zu achten, dass es ein von der Food and Drug Administration (FDA) zur Primärprävention zugelassener Test ist, so Sevelda. Ein weiteres Ziel müsse sein, dass jede Frau einmal im Jahr — auch bei negativem HPV-Test — zu einer gynäkologischen Untersuchung geht und dass österreichweit genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht, das — im Falle eines positiven Tests — die weitere Diagnostik übernehmen kann.
Maßnahmenpaket
Abschließend waren sich die Diskutierenden einig, dass die Zielsetzungen der WHO verfolgt werden müssen und die Empfehlungen der OEGGG in künftigen Entscheidungen berücksichtigt werden sollten. Ideal wäre ein geschnürtes Maßnahmenpaket, um eine flächendeckende Vorsorge für alle Frauen zu schaffen. Der HPV-Test müsse — den Empfehlungen entsprechend — in die primäre Prävention aufgenommen und von der Krankenkasse erstattet werden. Trotzdem sei weiterhin eine bessere HPV-Durchimpfungsrate anzustreben und die Bewusstseinsbildung der österreichischen Bevölkerung — Frauen und Männer gleichermaßen — müsse forciert werden. „Dieses Thema ist keine Frage von Ideologie, sondern eine Frage von Menschenverstand, und es sollte nicht politisch besetzt sein“, forderte Pilz.
„Jede Frau in Österreich hat das Recht auf Zugang zur bestmöglichen Versorgung. Prävention von Gebärmutterhalskrebs sollte auch hierzulande einen hohen Stellenwert haben und die Zielsetzungen der WHO sollten mit allen Mitteln verfolgt werden. Vorrausetzung dafür ist die Umsetzung evidenzbasierter Erkenntnisse und eine flächendecke Kostenübernahme von Maßnahmen der Vorsorge.“ Dr. Gerald Bachinger | NÖ Patienten- und Pflegeanwalt und Sprecher der Patientenanwälte Österreichs
„Der HPV-Test ermöglicht die Früherkennung des Risikos für Gebärmutterhalskrebs. Neben den bereits in den Leitlinien empfohlenen Anwendungen dieses Tests zur Diagnose und Therapie von cervikalen intraepithelialen Neoplasien sowie bei zytologischen Befunden mit eingeschränkter Qualität sollte er auch Frauen ab dem 30. Lebensjahr zumindest alle drei Jahre, ergänzend zum jährlichen zytologischen Abstrich, empfohlen werden. Zur unerlässlichen jährlichen gynäkologischen Kontrolle mit zytologischem und klinischem Untersuchungsbefund sowie der noch teilnahmeverbesserungswürdigen HPV-Impfung sollte die HPV-Testung als ergänzende Vorsorgeleistung ab dem 30. Lebensjahr alle drei bis fünf Jahre etabliert werden.“ OMR Dr. Thomas Fiedler | Bundesfachgruppenobmann für Gynäkologie und Geburtshilfe der Österreichischen Ärztekammer
„Die HPV-Impfung und die regelmäßige Durchführung von PAP-Abstrichen bei der Gynäkologin bzw. beim Gynäkologen sind essentiell, um Gebärmutterhalskrebs vorzubeugen und rechtzeitig zu erkennen. Die Durchimpfungsrate von HPV in Österreich ist immer noch sehr gering. Es ist mir daher ein großes Anliegen, für mehr Aufklärung über die Impfung und den damit verbundenen Schutz vor Gebärmutterhalskrebs, aber auch vor anderen Krebsarten zu sorgen. Denn eine HPV-Infektion kann nicht nur Frauen, sondern auch Männer betreffen. Neben der weiblichen Risikogruppe infizieren sich zunehmend auch mehr Männer, und die Viren können bei ihnen in weiterer Folge Auslöser von Anal- oder Peniskarzinomen sowie Tumoren im Hals oder Rachenbereich sein. Mir ist es deshalb besonders wichtig, Eltern, Kinder und Jugendliche frühzeitig zu sensibilisieren, in jeder Hinsicht über die Folgen aufzuklären sowie die Bewusstseinsbildung in unserer Gesellschaft zu erhöhen. Die Impfung selbst ist in Österreich für Mädchen und Buben im Alter von neun bis zwölf Jahren kostenlos, bis zum 15. Lebensjahr gibt es eine Vergünstigung. Nur bei einer höheren Durchimpfungsrate besteht die Chance, dass wir die Zahl der HPV-Infektionen reduzieren und somit Gebärmutterhalskrebs tatsächlich besiegen können. Auch bei medizinischen Neuer-ungen betreffend HPV-Tests ist es wesentlich, dass sie Eingang in zukünftige Untersuchungen finden. Frauen sollten jedenfalls die regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen und auf Frühsymptome achten, um Gebärmutterhalskrebs rechtzeitig zu erkennen und präventiv tätig werden zu können.“ Dr. Juliane Bogner-Strauß | Gesundheitslandesrätin Steiermark
„Damit die Ziele der WHO für 2030 erreicht werden, müssen diverse Schritte gesetzt werden. Österreich hat ein vorbildliches HPV-Impfprogramm, allerdings muss die Durchimpfungsrate in den Schulen noch deutlich verbessert werden. Der HPV-Test für Frauen ab 30 ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategie und sollte nach den Empfehlungen der OEGGG in regelmäßigen Abständen angewendet und auch von der öffentlichen Hand finanziert werden.“ ao. Univ.-Prof. Dr. Elmar Joura | Leiter der Ambulanz für Zervix- und Vulvapathologie am AKH Wien
„Die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs sollte in Österreich weiter verbessert werden. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Anwendung des HPV-Tests für Frauen ab 30 Jahren, wie von der OEGGG Leitlinie empfohlen, sowie die bundesweit einheitliche Refundierung der Kosten. Neben der HPV-Impfung und der jährlichen Vorsorgeuntersuchung ist dies eine bedeutende präventive Maßnahme.“ ao. Univ.-Prof. Dr. Petra Kohlberger | Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde, AKH Wien
„Der HPV-Test ist aktuell die zuverlässigste Methode, um das Risiko für Gebärmutterhalskrebs so früh wie möglich zu erkennen. Alle Patientinnen sollten dahingehend informiert werden, welche Möglichkeiten der Prävention es gibt. Um jeder Frau die bestmögliche Vorsorge zu gewährleisten, wird es in weiterer Folge vonnöten sein, dass die Kosten für den HPV-Test von der Krankenkasse übernommen werden. Auch wenn der PAP-Abstrich in den vergangenen Jahrzehnten große Erfolge gezeigt hat, sollten stets die aktuellen wissenschaftlichen Methoden flächendeckend eingesetzt werden, so auch der sensitivere HPV-Test bei Frauen ab dem 30. Lebensjahr.“ Univ.-Prof. Dr. Christian Marth | Vor-stand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde Innsbruck
„Zur umfassenden Vorsorge von Gebärmutterhalskrebs gehört die HPV-Impfung für jedes Kind zwischen neun und zwölf Jahren, mit freiwilligem Verzicht. Die Impfung wird allen Mädchen und Buben bzw. Frauen und Männern im sexuell aktiven Alter empfohlen. Weiteres erforderlich sind der Krebsabstrich, welchen alle Frauen ab dem 20. Lebensjahr einmal im Jahr durchführen lassen sollten, und ab dem 30. Lebensjahr zumindest alle drei Jahre ein HPV-Test, der in Zukunft von der Krankenkasse bezahlt werden soll.“ OA Dr. Christian Schauer | Präsident der AGO, eine Arbeitsgemeinschaft der OEGGG
Teilnehmende
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Dr.inSigrid Pilz, Wiener Pflege-, Patientinnen- & Patienten-anwältin
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Mag. Martin Schaffenrath, MBA, MBA, MPA, Arbeitnehmervertreter im ÖGK-Überleitungsausschuss1
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Gaby Schwarz, Nationalratsabgeordnete und Gesundheits-sprecherin ÖVP
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Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Abteilungsvorstand der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung | Brustgesundheitszentrum Hietzing und Präsident der Österreichischen Krebshilfe
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ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, PhD, Präsident der Ärztekammer für Wien und Präsident der Österreichischen Ärztekammer
Moderation: Robert Riedl | PERI Group und Hanns Kratzer | PERI Market Access
1 Seit 1. Jänner 2020 Arbeitnehmervertreter im ÖGK — Verwaltungsrat
Fotocredit: © Peter Provaznik (3), LARESSER, MUW, Privat, Birgit Köll, Ivica Cacic
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