Kluge Muskeln | Folge 11
Dr. Andreas Stippler, MSc,
Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie
Wenn Sie Ihre Muskeln bewegen, lösen Sie einen biochemischem Dialog zwischen den Muskelproteinen aus. Diese wiederum sorgen dafür, dass die Muskeln Botenstoffe aussenden, die gesundheitsfördernd mit Herz, Gehirn und allen anderen Organen kommunizieren. Kommen Schmerzen ins Spiel, dann liegt es ganz nahe, dass Ihnen nicht nach Bewegung zumute ist. Vielmehr möchten Sie sich auf die Couch zurückziehen oder im Bett verkriechen. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war es durchaus noch üblich, dass Patientinnen und Patienten über Wochen hinweg Bettruhe verschrieben wurde, wenn auf dem Röntgenbild abgenützte Gelenke zu erkennen waren. Auf diese Weise sollten die Schmerzen wieder „zur Ruhe” kommen. Der Ansatz war gut gemeint, letztendlich aber falsch. Denn im Liegen und Sitzen wird Arthrose bzw. Gelenksverschleiß nicht geheilt. Noch dazu schwinden die Muskeln, die für Ihren Stütz- und Bewegungsapparat so unverzichtbar sind. Die gut gemeinte medizinische Empfehlung war fatal: Die Beschwerden haben sich nicht gebessert, sondern wurden noch schlimmer. Heute hat die Medizin dazugelernt: Wenn Muskeln nicht regelmäßig bewegt werden, erhöht sich das Risiko für Arthrose um satte 40 Prozent.
Gelenksabnützungen entstehen dann, wenn der Knorpel in den Gelenksinnenflächen zu schwinden beginnt. Das Knorpelgewebe ist eine elastische Masse, die im Grunde sehr resistent gegen Risse ist. Das Gewebe besteht zu 70 Prozent aus Wasser und zu 25 Prozent aus Kollagenfasern (der Rest sind Knorpelzellen). Als feuchte Oberfläche überzieht das Knorpelgewebe die Innenfläche der Gelenke. Die Knochen, die aufeinanderstoßen, gleiten auf dem Knorpel in den Gelenken leicht und nahezu widerstandslos (die Reibung ist dabei ähnlich gering wie jene von Schlittschuhen auf spiegelglattem Eis). Ihr Knorpelgewebe kann mit mechanischer Belastung ziemlich gut umgehen: Setzt man beispielsweise den Fuß beim Joggen auf den Asphalt, strömen Gewebe und Wasser aus der Knorpelmatrix von Knie-, Hüft- oder Sprunggelenk. Wenn der Fuß wieder zur Sprungphase angehoben wird, expandiert der Knorpel in den belasteten Gelenken wieder. Die sogenannte Synovialflüssigkeit, eine transparent schimmernde Gelenksschmiere, wird von den Zellen der Gelenksinnenhaut abgesondert und versorgt den Knorpel mit wertvollen Nährstoff en. Hier zeigt sich ganz besonders, warum Liegen und Sitzen Gift für Ihre Gelenke sind: Die Gelenksschmiere wird von den Zellen vor allem während der Bewegung produziert. Bewegen Sie sich wenig, lässt dies das Knorpelgewebe in den Gelenken verkümmern. Meist klagen Büroangestellte, die viel sitzen, etwa über Arthrosen in den Hüften. Nicht die Überanstrengung, sondern die Inaktivität ist es, die den Knorpel angreift. Das Risiko eines Gelenksverschleißes in Knie und Hüfte steigt zudem umso mehr, je mehr überschüssige Kilos man hat: Das Fettgewebe schüttet Entzündungsstoff e aus, die über die Gelenksschmiere in die Gelenke gelangen und den Abbau von Knorpelgewebe begünstigen. Wer seine Muskeln kräftigt, kann mit Gelenksverschleiß eindeutig besser leben. Ein einmal verlorenes Knorpelgewebe ist zwar für immer verloren, bis jetzt hat die Medizin noch keine Möglichkeit gefunden, dieses wieder aufzubauen. Aber: Wird die Arthrose rechtzeitig erkannt, können Muskeln helfen, den Verlauf dieser Erkrankung zu verlangsamen und im besten Fall ganz zu stoppen. Ich möchte daher nicht aufhören, es zu predigen: Auch wenn es zwickt und zwackt oder Sie vielleicht gar schon in der Früharthrose stecken: Raus aus dem Bett, runter von der Couch, hinein in die Joggingschuhe, rauf auf die Piste und mitten ins Leben.
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