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Osteoporose: Starke Knochen – ein Leben lang

© Krisztian Juhasz

Osteoporose: Starke Knochen – ein Leben lang

© Krisztian Juhasz

Die Therapie der Osteoporose ist nicht nur knochenbezogen, sondern erfordert gleichermaßen präventive wie multimodale Konzepte, die eine Identifizierung von Risikopersonen inkludieren. Welche Möglichkeiten sich daraus im Management der Knochenbruchkrankheit ergeben war Gegenstand von drei Vorträgen bei den PRAEVENIRE Gesundheitstagen im Stift Seitenstetten im Rahmen der PRAEVENIRE Initiative Osteoporose 2030. | von Mag. Sylvia Neubauer

Osteoporose zählt zu den zehn häufigsten Erkrankungen mit rund 200 Millionen Patientinnen
und Patienten weltweit – alle drei Sekunden ereignet sich eine osteoporotisch bedingte Fraktur. Gesundheitspolitische Relevanz erfährt die systemische Skeletterkrankung durch das vermehrte Auftreten im höheren Lebensalter sowie die durch Fragilitätsfrakturen bedingten Folgen. Insbesondere Oberschenkelhals- und Wirbelkörperfrakturen gehen mit einer eingeschränkten Lebensqualität und einer erhöhten Mortalität einher. Welchen Herausforderungen steht die Medizin aktuell gegenüber? Wo geht die Reise hin? Was ist State of the Art? Diesen Fragen widmeten sich Prim. Univ.-Prof. Dr. Heinrich Resch, Mag. Ines Schachenhofer sowie Dr. Cristina Tomasi in ihren Keynotes. 

Unterschätzt, unterdiagnostiziert, untertherapiert

Vermeintlich harte Knochen können im Laufe des Lebens fragil werden – durch fortschreitenden Knochenabbau bei reduzierter Knochenneubildung, die Osteoporose. Ihr klinisches Bild ist durch eine geringe Knochendichte und eine mikroarchitektonische Verschlechterung des Knochengewebes charakterisiert. Rund 800.000 Menschen sind in Österreich von Osteoporose betroffen – vergleichbare Zahlen gibt es in der Prävalenz von Diabetes. „Weniger als ein Viertel aller Fälle werden frühzeitig diagnostiziert und adäquat behandelt“, machte Resch auf Lücken in der medizinischen Versorgung dieser Menschen aufmerksam: „Es besteht eine ganz deutliche Unterdiagnose der Osteoporose.“ Er begründete diese mit mangelnder Awareness – die in ihrer Frühform zumeist asymptomatische Krankheit würde als Gesundheitsproblem immer noch unterschätzt werden. In ihrer Dimension ist Osteoporose jedoch mit Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen vergleichbar: 20 Prozent der Patientinnen und Patienten werden nach einem Oberschenkelhalsbruch zum Pflegefall, über
50 Prozent erleiden einschneidende Einschränkungen in ihrem zuvor selbstständig bewältigten Alltag. Jeder dritte bis vierte Betroffene über 85 stirbt innerhalb eines Jahres an den
Auswirkungen einer Schenkelhalsfraktur. Oft, bemängelte Resch, unterbleibe die notwendige
Diagnose, und selbst dort, wo sie erfolgt sei, fehle es häufig an einer angemessenen Behandlung. 

Prävention von Fragilitätsfrakturen – Frühdiagnostik entscheiden

Sinnvoll wäre es aber, Fragilitätsfrakturen im Vorfeld zu verhindern. „Wir wollen die Patientinnen und Patienten, die ein erhöhtes Frakturrisiko aufweisen, möglichst rasch finden, wir wollen ihr Risiko rasch senken und die Osteoporose frühzeitig behandeln“, akzentuierte Resch den hohen Stellenwert einer Frühintervention. Für den Nutzen einer Anti-Osteoporose-Medikation ist der Zeitpunkt der Initiierung von entscheidender Bedeutung. Ein Behandlungsbeginn unmittelbar nach einer Hüftfraktur kann das Risiko, erneut mit einem Bruch hospitalisiert zu werden, signifikant senken. Wichtig wäre es daher, bei allen Altersfrakturen routinemäßig eine Osteoporosediagnostik durchzuführen.

In der Praxis sieht es allerdings anders aus: Frakturen werden verzögert oder überhaupt nicht abgeklärt: 86 Prozent der Betroffenen erhalten keine spezifische Osteoporosetherapie nach einer Hüftfraktur, obwohl die Diagnose einer Osteoporose eine leicht zu stellende ist – etwa über die bewährte Knochendichtemessung, die Aufschluss über die Architektur des
Knochens gibt. „Über Nano-CT-Verfahren ist es darüber hinaus möglich, die Struktur- und Dichte-Änderungen des Knochens hochaufgelöst darzustellen“, nannte der klinische Osteologe eine Methode, mit der die Strukturänderungen, die der Osteoporose zugrunde liegen auf der Nanoskala erforscht werden können.
„Wir können dreidimensionale Innenansichten, fragiler Knochenstrukturen erstellen – selbst
Trabekel werden sichtbar“, zeigte sich Resch über Innovationen in der Medizin erfreut. Im gesunden Knochen weisen Trabekel ein homogenes „Netzwerk“ auf, das vom kortikalen Knochen umhüllt wird. Beim osteoporotischen Knochen sind diese kleinen Bälkchen aus Knochengewebe erheblich reduziert.

Neue Biomarker könnten Frakturen prospektiv vorhersagen

Neue Entwicklungen sind im Bereich der biochemischen Knochenmarker zu verzeichnen
– der MicroRNAs (miRNAs). Diese kurzen RNA Moleküle regulieren über die Bindung an Botenstoff -RNA die Genexpression und Proteintranslation. „MicroRNAs können im Serum bestimmt werden“, sagte der Mediziner. Derzeit sind circa 2500 humane miRNAs annotiert, die als Schlüsselregulatoren für unterschiedlichste biologische Prozesse fungieren. Zahlreiche dieser Biomarker werden mit dem Knochenstoffwechsel in Verbindung gebracht – hier beeinflussen sie über verschiedenste Signalwege Transkriptionsfaktoren des Osteoblasten oder die Osteoklastendifferenzierung. Als Laborparameter spiegeln miRNAs pathologische Prozesse wider: „MicroRNAs geben Auskunft über den momentanen Knochenstoffwechsel und ermöglichen es, eine Aussage über den Zustand des Knochens zu treffen“, erklärte Resch. Eben diese Biomarker könnten zukünftig eine wichtige Rolle in der Diagnostik und Prädiktion von muskuloskelettalen Erkrankungen spielen: „Gegenstand der Forschung ist es, Signaturen dieser miRNAs zu finden, die spezifisch auf eine Gefährdung osteoporotischer Frakturen hinweisen.“

© Krisztian Juhasz

Medikation nach Schlüssel-Schloss-Prinzip

Aktuell zur Verfügung stehenden Osteoporosepharmazeutika lassen sich entsprechend ihrem vorwiegenden Wirkmechanismus als antiresorptiv, osteoanabol oder dual wirksam klassifizieren. „Die Medikation sollte an die jeweilige Stoffwechselsituation des Knochens angepasst als Sequenztherapie erfolgen“, sprach sich Resch gegen eine Monotherapie aus. Vielmehr gelte es, die Patientinnen und Patienten mit einem langfristigen Konzept zu betreuen, das sich an deren Alter und an den Wirkprinzipien der einzelnen Medikamente orientiere. Nicht nur die Knochendichte sei entscheidend, sondern auch die Knochenqualität mit ihrer Mikro- und Makroarchitektur.
„In ein paar Jahren wird es vielleicht einmal möglich sein, durch eine reine Genanalyse –
aus einer Haarspitze oder aus dem Speichel einer Person – das Frakturrisiko und konsekutiv die Notwendigkeit einer frühzeitigen Behandlung abzulesen“, zeigte Resch den Weg in die Zukunft auf. Die Signatur von miRNAs könne künftig dazu beitragen, spezifische Medikamente zur Behandlung der Osteoporose zu entwickeln: „Das hätte den Vorteil, dass wir von den vielen Tabletten wegkommen und synchrone Therapien mit Antikörpern entwerfen könnten“, sagte Resch und annotierte: „Antikörper, die zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle ansetzen und mehr oder minder nach Wunsch mehr Knochen produzieren oder Substanzverlust bremsen, sodass der Knochen letztendlich stabil bleibt.“ Das, schlussfolgerte Resch in seiner Keynote „könnte State of the Art sein – in 10 Jahren.“

Knochengesundheit beginnt von Kindesbeinen an

Die Pathogenese der Knochenbruchkrankheit erstreckt sich oft über Jahrzehnte. „Unser
Augenmerk sollte daher viel stärker auf die Prophylaxe gerichtet werden, noch mehr als
auf mögliche Behandlungsoptionen“, kritisierte Keynote-Speakerin Tomasi den Blickwinkel der modernen Medizin: Diese sei eine defensive, vorwiegend symptomorientierte geworden. Was Osteoporose anbelangt, liegt jedoch gerade in den ersten drei Lebensjahrzehnten ein hohes Präventionspotenzial. Je höher die in der Jugend erworbene Knochendichte ist, desto geringer fällt das Risiko aus, im Alter osteoporotisch bedingte Knochenbrüche zu erleiden. „Alleine zwischen dem zwölften und dem vierzehnten Lebensjahr wird 25 Prozent der Knochenmasse gebildet“, so die Medizinerin. Um das dreißigste Lebensjahr ist die Peak Bone Mass, der Maximalwert der Knochenmineraldichte eines Menschen erreicht – determiniert durch eine Vielzahl an Einflüssen:
„Knochengesundheit ist wie ein Orchester, bei dem unterschiedlichste Faktoren mitspielen“, fand Tomasi ein schönes Bild. Dahingehende „Taktgeber“ seien vor allem Hormone – allen voran das Parathormon, das im Rahmen der Kalziumhomöostase eine Schlüsselrolle einnimmt – des Weiteren lokale Zytokine und genetische Regulationsmechanismen. Unentbehrlich für die Remodellierung des Knochens seien außerdem eine mechanische Beanspruchung und eine ausgewogene Ernährung:
„Wichtig wäre, dass sich Jugendliche ausreichend bewegen und die richtigen Vitamine und Mineralstoff e sowie genügend Eiweiß zur Bildung der Knochen bekämen“, erklärte Tomasi die Nährstoff zufuhr als entscheidend. Ätiologisch betrachtet würden die Folgen einer Fehlernährung in diesem Lebensabschnitt erst viel später sichtbar werden. 

Knochenrelevanter Mikronährstoffe

Teilweise erheblichen Nachholbedarf gibt es vor allem in der Versorgung mit Mikronährstoff en. „Aus Studien wissen wir, dass 80 Prozent der unter 30-jährigen Frauen einen Vitamin-D-Mangel aufweisen“, unterstrich Schachenhofer die Problematik in Zahlen, exemplarisch am Beispiel von Vitamin D aufgezeigt, einem Mikronährstoff , der neben den Hormonen Calcitonin und Parathormon den Kalcium- und Phosphatstoffwechsel im Körper beeinflusst und damit als wichtiger Faktor für die Knochenmineralisierung fungiert. Vor allem junge Frauen würden oft kein optimales Mikronährstofflevel erreichen: „Besondere Lebensabschnitte wie eine Schwangerschaft oder die Stillzeit erschweren die Bedarfsdeckung“, nannte die Pharmazeutin eine Ursache dafür. Auch vegan lebende Menschen hätten ernährungsbedingt häufig eine niedrigere Knochendichte als Omnivoren. An der Nährstoffversorgung gelte es anzusetzen: „Knochenrelevante Nährstoffe können einen wichtigen Beitrag zur Osteoporose-Prophylaxe leisten“, motivierte Schachenhofer, diese in die Präventivmedizin miteinzubeziehen. Neben Vitamin D sei auch Vitamin K an der Mineralisierung des Knochens beteiligt. Von Bedeutung seien darüber hinaus die Vitamine C und Vitamin E, welche beide als starke Antioxidantien wirken sowie Zink, Magnesium, Kalcium und Phosphor. „Zink fördert die Synthese von Kollagen. Magnesium beeinflusst die Knochendichte – beispielsweise über das Parathormon. Kalcium und Phosphor sind wesentlich am Aufbau des Stützapparates beteiligt“, beschrieb die Pharmazeutin die Wirkmechanismen dieser Mineralstoffe und Spurenelemente.
Eine frühzeitige Supplementierung bestimmter Nährstoffe mache in jedem Fall Sinn:
„Der Präventionsgedanke liegt darin, bereits in jungen Jahren darauf zu achten, dass sich die Knochendichte gut aufbaut – über die Ernährung, über Mikronährstoffe“, so die Expertin.

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