Der technologische Fortschritt hat den Arbeitsalltag in der Radiologie deutlich gewandelt. PERISKOP sprach mit dem Obmann der Fachgruppe Radiologie und Vorstandsmitglied der Ärztekammer für Tirol, Dr. Klaus Wicke, der in der Tiroler Landeshauptstadt ein Röntgeninstitut betreibt, über Trends, Entwicklungen und Zukunftsaussichten in der Radiologie.
Rainald Edel, MBA
Periskop-Redakteur
Nach jahrelanger Arbeit als niedergelassene Ärzte und Gesellschafter des CTI (Computer Tomographie Innsbruck) verwirklichten vor zwölf Jahren Dr. Klaus Wicke und Dr. Thomas Penz den Traum einer eigenen Praxis, die nach den neuesten Standards der Digitaltechnik arbeitet. Für den reibungslosen Ablauf unverzichtbar ist dennoch das dahinterstehende Praxisteam.
PERISKOP: Warum sind Sie Radiologe geworden und welche Voraussetzungen gibt es für das Berufsbild?
Wicke: Das Fach Radiologie hat mich interessiert, weil ich ein technikaffiner Mensch bin und zudem mein Onkel Radiologe war. Da lag das Interesse für dieses Fach nahe.
Voraussetzung für die Arbeit als Radiologin, Radiologe ist das 12 Semester umfassende Studium der Humanmedizin sowie die nachfolgende Fachausbildung, die ebenfalls sechs Jahre dauert und mit der Facharztprüfung abschließt. Diese gilt als eine der anspruchsvollsten innerhalb des medizinischen Fächercanons. Erst dann besitzt man die Berechtigung, den Beruf eigenständig auszuüben.
Während der Studienplan nach der neuen Studienordnung relativ straff ist, stellt sich meist nach Beendigung der universitären Ausbildung die Frage, ob man einen Platz im gewünschten Fach an einer Klinik seiner Wahl bekommt. Aus der Radiologie höre ich unterschiedliche Szenarien. Während die einen darüber klagen, dass sich niemand um einen Ausbildungsplatz bewirbt, haben andere Kliniken wieder genug Bewerberinnen und Bewerber für die Ausbildungsplätze.
Weil Sie die technische Affinität angesprochen haben — ist Radiologie mehr Technik als Medizin?
Man muss kein Cyborg sein, um Radiologie betreiben zu können, aber man darf weder Probleme im Kontakt mit Menschen noch Scheu davor haben, einen Computer zu bedienen. Bei aller technischen und vor allem digitalen Unterstützung, die es gibt, bildet aber dennoch die Medizin die Grundlage, um überhaupt eine fundierte Diagnose stellen zu können.
Wie aufwändig ist es, mit der Technik Schritt zu halten — sowohl vom Verständnis als auch von der Ausstattung?
Das Fach hat sich in den letzten Jahren enorm gewandelt. Wie ich als Radiologe begonnen habe, hat man noch mit klassischen Röntgenbildern gearbeitet. Als wir hier unsere Praxis gegründet haben, starteten wir von Anfang an digital. Es gibt bei uns keine Bilder, keine Zettel. Es wird bei uns alles eingescannt bzw. gleich elektronisch weitergegeben.
Das System hat sich in den 12 Jahren, in denen ich in dieser Praxis bin, enorm weiterentwickelt. So tauschen wir beispielsweise gerade die Röntgengeräte aus, weil sie an ihr Lebensende kommen und immer wartungsanfälliger werden. Computerprogramme muss man spätestens alle drei bis vier Jahre neu kaufen. Vieles was neu entwickelt wurde, ist hilfreich, aber auch sehr aufwändig. So umfasste beispielsweise eine normale Mammografie, wie man sie bis vor wenigen Jahren gemacht hat, vier Aufnahmen aus unterschiedlichen Richtungen. Jetzt gibt es das System der Tomosynthese, bei der die Brust pro Richtung in 25 Schichten aufgenommen wird, womit man in Summe bis zu 100 Bilder anschauen muss. Einerseits wird die Diagnostik erleichtert, weil man durch die Schichten sicherer wird, gleichzeitig erhöht sich der Arbeitsaufwand. Dazu kommt noch die enorme Menge an Datenspeicherung – wobei Speicherplatz heute fast nichts mehr kostet. Wir mussten deshalb schon mehrfach unseren Speicher erweitern. Was aktuell dazukommt, ist der Strompreis. Zahlten wir bislang 5ct pro Kilowatt liegt das neue Angebot bei 50 ct.
Auf was muss man bei der Mammografie achten, wie kommen die Patientinnen zu Ihnen?
Die Patientinnen – in dem Fall Bürgerinnen genannt – zwischen 45 und 75 Jahren werden eingeladen, sich regelmäßig untersuchen zu lassen. Sonst werden sie von anderen Ärztinnen und Ärzten zugewiesen – idealerweise mit einer Zuweisungsdiagnose. In knapp der Hälfte dieser Fälle fehlt dieser Anfangsverdacht, so dass wir eine Kurzanamnese durchführen müssen, um abzuklären, aus welchem Grund uns jemand aufsucht, wie der Gesundheitszustand ist und welche Ursache hinter Beschwerden stecken können.
Der zweite wichtige Bereich, der in der Ausbildung gelehrt wird, ist zuzuordnen, was man sieht. Hier ist relevant abzuschätzen, welche Auffälligkeiten es in einer bestimmten Altersgruppe, dem Geschlecht am häufigsten gibt. Wenn das Bildmaterial mit den geschilderten Beschwerden oder dem Diagnoseverdacht der zuweisenden Ärztin, des Arztes nicht übereinstimmt, müssen alternative Ursachen abgeklärt werden. Die Wahrscheinlichkeit spielt sicher eine Rolle, das meiste ist allerdings Erfahrung.
Am besten wäre, wenn man als Röntgenologin, Röntgenologe alles schon einmal gesehen hätte. Daher sind insgesamt 12 Jahre Ausbildung noch nicht genug, es bedarf noch der Praxis in einem Krankenhaus, damit man sich selbständig machen kann. Wenn man ein Befundbild noch nie gesehen hat, hilft heute das Internet oder eine umfassende Bibliothek.
Wie erfolgt die Übergabe an die erstbehandelnde Ärztin, den Arzt?
Der Befund wird heute in der Regel elektronisch gesichert und über das Gesundheitsdatennetz übermittelt. Dazu besteht noch die Möglichkeit der direkten Befundausfolgung an die Patientin, den Patienten und der Zustellung mittels Post. In diesem steht, was ich als wahrscheinlichste Diagnose erachte. Wenn ich nicht sicher bin, schreibe ich auch noch Differenzialdiagnosen hinein, die in Betracht zu ziehen sind.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und dem niedergelassenen Bereich?
Bei uns in Innsbruck im niedergelassenen Bereich, z. B. bei der Mammografie, hervorragend. Wann immer wir eine verdächtige Struktur in einer Brust erkennen, wo wir einen Tumor suspizieren, schicken wir die Person in eines der Krankenhäuser, damit zeitnah eine Biopsie durchgeführt wird. Die Patientin wird dort oder bei der Ärztin, dem Arzt ihrer Wahl weiterbehandelt. Sonst haben wir als konventionelle Radiologie relativ wenig Berührungspunkte mit der Klinik.
Anders schaut es im Schnittbildsektor bei CT und MRT aus. Ich weiß es vom Großraum Wien, hier werden viele Tumor-Patientinnen und -Patienten zur Nachkontrolle in privaten Instituten untersucht und die Ergebnisse in die Klinik zurückgemeldet. Hier wird viel Leistung in die Peripherie ausgelagert, da im Krankenhaus nicht die entsprechenden Kapazitäten zur Verfügung stehen. Daher wäre es gut, wenn wir auch Bilder in ELGA speichern könnten. Da hätten wir eine sichere, datenschutzkonforme Umgebung, auf die jeder Anbieter zugreifen könnte und müssten nicht DVDs produzieren oder per Anforderung Daten über eine Datenleitung übermitteln. Daher der Wunsch unserer Berufsgruppe an die ELGA-GmbH, dies möglichst rasch umzusetzen.
An Ihrem Institut arbeiten verschiedene Berufsgruppen zusammen – was sind deren Aufgaben?
Neben uns beiden Radiologen sind die sechs Mitarbeiterinnen im Sekretariat die wichtigste Anlaufstelle für die Patientinnen und Patienten. Da geben sie den Zuweisungsschein ab und werden registriert. Unsere unmittelbaren Partner sind die fünf Radiologietechnologinnen (RT) und ein Radiologietechnologe (RT), die sich um die Patientinnen und Patienten kümmern und die Röntgenaufnahmen machen und den Ultraschall vorbereiten. Den Ultraschall selbst machen wir – es gibt andere Praxen, in denen dies ebenfalls von RTs durchgeführt wird. Im Anschluss werden die Bilder von der RT auf Qualität, Stimmigkeit und Vollständigkeit kontrolliert und an die Befundworkstations geschickt. Dort schauen wir uns als Ärzte die Bilder an und erstellen die Diagnose, die mittels Spracherkennungssoftware diktiert wird. Im Sekretariat wird der Befund Korrekturgelesen und auf Plausibilität kontrolliert und geht dann anschließend elektronisch an die zuweisende Stelle.
Welche Änderungen bezüglich Berufsbild, Struktur zeichnen sich ab?
Was bei uns Bedenken auslöst, ist die anstehende Novelle zum MTD-Gesetz. Eine Reform ist sicherlich notwendig, immerhin ist die derzeitige Regelung 30 Jahre alt und die Aufgaben haben sich stark gewandelt. Die Medizinisch-Technischen Dienste umfassen die Biomedizinischen Analytikerinnen, -Analytiker, Diätologinnen, Diätologen, Ergotherapeutinnen, Ergotherapeuten, Logopädinnen, Logopäden, Orthoptistinnen, Orthoptisten, Physiotherapeutinnen, Physiotherapeuten sowie die für uns relevanten Radiologietechnologinnen und Radiologietechnologen.
Aus Sicht der Radiologie gibt es durchaus große Unterschiede im Berufsbild der einzelnen MTD-Berufe. Ich kann nur für unsere Fachgruppe sprechen – im derzeitigen Gesetzesentwurf sind Wünsche des Verbandes für Radiologietechnologie enthalten, die sich nicht mit unserem ärztlichen Berufsbild decken – beispielsweise, dass RT „auch einen Befund abgeben“ möchten. Selbst auf Nachfrage, konnten uns die Vorstände des RT-Verbandes nicht genau sagen, was sie darunter verstehen. Ich befürchte, dass dadurch nur der Behandlungsprozess verzögert wird. Ich erkenne auch keinen Mehrwert für Patientinnen und Patienten. Dass sie Heilmittel applizieren dürfen – in unserem Fall Kontrastmittel – ist meiner Meinung nach auch kritisch zu beurteilen. Es besteht immer die Gefahr einer anaphylaktischen Reaktion. Hierauf richtig zu reagieren, braucht mehr Wissen, als in der dreijährigen RT-Ausbildung vermittelt werden kann.
Was wir nicht wollen, ist, dass in unsere ureigenste ärztliche Tätigkeit der Befunderstellung eingegriffen wird. Radiologie ist mehr, als nur Bilder anschauen. Hier steckt eine Menge an Wissen dahinter, differenzialdiagnostische Überlegungen, die man in drei Jahren nicht lernen kann, noch dazu, wenn man in dieser Zeit auch alle anderen Inhalte der Ausbildung vermittelt bekommt. Einer Aufwertung des Berufsbildes und einer Kompetenzerweiterung, verschließen wir uns nicht.
Im Gegenteil, wir wären froh, wenn die sicherlich notwendige Berufsreform in die richtige Richtung ginge. Ein Schwerpunkt sollte dabei im Bereich EDV liegen. Wir sind beispielsweise verpflichtet, jeden Tag die Qualität unserer Monitore zu kontrollieren. Wenn diese Kontrollmechanismen in der Ausbildung forciert würden, so dass wir keine Fremdfirmen benötigen, dann wären das für uns eine große Hilfe. Was für uns Ärztinnen und Ärzte sehr unterstützend wäre, ist, dass RTs Patientinnen und Patienten über Untersuchungen aufklären dürfen; dies sollte gesetzlich erlaubt sein und würde uns tatsächlich entlasten.
Wie sehen die Zukunftsaussichten für den Bereich der Radiologie aus?
Ein großes Thema, das schon jetzt eine Rolle spielt, ist der Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI). Im Gegensatz zu anderen Bereichen der Medizin, lässt sich KI in der Radiologie leichter implementieren, da bereits alle Daten digital vorhanden sind. So ermüdet man relativ rasch, wenn man bei einer Mammografie 100 oder im MR 1000 Einzelbilder anschauen muss. Wenn die KI die Bilder vorab screent und Hinweise gibt, wird das in Zukunft eine enorme Unterstützung sein.
Es gibt beispielsweise in der Mammografie bereits Systeme, die Kalkeinlagerungen entdecken können. Zumeist wird allerdings zu viel Kalk identifiziert und die Radiologin, der Radiologe muss beurteilen, ob dieser Kalk suspekt ist oder ob es sich um eine harmlose Einlagerung handelt, die bei der Alterung der weiblichen Brust häufig vorkommen kann. Ein Grund, warum in absehbarer Zukunft Computer keinen Befund erstellen werden, ist, dass keine Computerfirma der Welt die Verantwortung für eine Fehldiagnose übernehmen wird. Realistisch ist ein Szenario wie in der Labordiagnostik. Die Werte werden zwar von Maschinen ermittelt, aber die Plausibilitätsprüfung, ob dieser Wert tatsächlich möglich ist, mit der Zuweisungsdiagnose übereinstimmt oder ein möglicher Maschinenfehler vorliegt, das obliegt einer Ärztin, einem Arzt. Daher wird auch in der Radiologie letztendlich hinter jedem Befund immer ein Mensch stehen müssen.
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