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Wissenschaft nahe an den Menschen

Gruppenfoto der Teilnehmenden
© KRISZTIAN JUHASZ

Wissenschaft nahe an den Menschen

Gruppenfoto der Teilnehmenden
© KRISZTIAN JUHASZ

Das 204. PRAEVENIRE Gipfelgespräch im Rahmen der 8. PRAEVENIRE Gesundheitstage im Stift Seitenstetten beschäftigte sich mit Rolle und Stellenwert von privaten Universitäten für die österreichische Forschung, Lehre und Versorgungsqualität.

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Mag. Dora Skamperls

PERISKOP-Redakteurin

Hochkarätige Expertinnen und Experten diskutierten zum aktuellen Thema Privatuniversitäten – am Beispiel der „Danube Private University (DPU)“. In der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt sind die Faktoren Standortentwicklung und Forschung, die von den Teilnehmenden betont wurden. Privatuniversitäten haben sich als die dritte und dynamisch wachsende Säule des österreichischen Hochschulwesens etabliert und die Zahl der Studierenden wächst seit ihrer Einführung kontinuierlich. Die dafür erforderliche gesetzliche Grundlage liefert das Privathochschulgesetz (PrivHG).

Als eine der erfolgreichsten österreichischen privaten Hochschulen fokussiert sich die „Danube Private University (DPU)“ auf die Bereiche Zahnmedizin und Humanmedizin. In Ergänzung zu den bestehenden, öffentlichen Einrichtungen für Forschung und Lehre können private Hochschulen wie die DPU aufgrund ihres spezifischen Angebots einen wesentlichen Beitrag im Rahmen von Kooperationen mit dem öffentlichen Sektor leisten. Die Fokussierung auf spezifische Forschungsschwerpunkte stellt dabei einerseits eine wichtige Ergänzung zum öffentlichen Sektor dar und kann andererseits wiederum zu international beachteten Ergebnissen führen.

Impulsgeber im Nischenbereich

Im Rahmen des Gipfelgesprächs wurde der Stellenwert von privaten Universitäten am Beispiel der DPU als Impulsgeber und eigenständiger Beitrag für die Forschung in Österreich – wie zum Beispiel im Bereich der Onkologie oder der Schaffung eines eigenen Lehrstuhls für Alternativen zum Tierversuch –, für die Ausbildung und Lehre und schließlich für die Schaffung von Versorgungssicherheit im Rahmen der Standortentwicklung und der regionalen Förderung diskutiert.

„Zwischen öffentlichen und privaten Universitäten bestehen erhebliche Unterschiede, öffentliche müssen in der Breite versorgen und gehören in die Metropolen. Sie erhalten hohe Summen an öffentlichen Geldern für die Spitzenforschung“, so Robert Wagner (DPU).

„Die Privatuniversitäten stehen hier in keiner Weise in Konkurrenz, sondern helfen meist an dislozierten Standorten mit, die Region zu attraktivieren. Dort können sie schwerpunktmäßig auch an der Spitzenforschung mitwirken. Hier kann bspw. die DPU einen Beitrag leisten, Ärztinnen und Ärzte an dislozierte Standorte zu binden.“

Im Gegensatz zum breiten Forschungs- und Versorgungsauftrag der öffentlichen Universitäten sind vorwiegend Privatuniversitäten abseits der Ballungszentren lokalisiert. Dort helfen sie mit, den medizinischen Standort der Gegend sowie deren Infrastruktur attraktiver zu gestalten. Mit fokussierten Forschungsschwerpunkten können sie ebenfalls im Spitzenfeld der Forschung wirken und dadurch den Wissenschaftsstand des Landes unterstützen.

Landeskliniken als Kooperationspartner

Prof. Ojan Assadian, ärztlicher Direktor des Landesklinikums Wiener Neustadt, berichtete: „Patientenversorgung, Forschung und Lehre arbeiten eng verschränkt zusammen und sind im Spital untrennbar verbunden. Jedes Klinikum in Österreich ist grundsätzlich verpflichtet, Diagnostik und Therapie nach dem neuesten Stand der Wissenschaft anzubieten. Gleichzeitig müssen wir Sorge tragen, unseren eigenen Nachwuchs in Medizin und Pflege auszubilden. In einem Routinekrankenhaus ist also neben der Versorgung die Ausbildung integraler Bestandteil. Wir haben in den über 700 Krankenanstalten in Österreich – und das sind bei Weitem nicht nur die Universitätskliniken – einen hohen Anteil an Forschungsleistung, die in den letzten Jahren aber in erster Linie aufgrund von Einzelinteressen und persönlichem Engagement der Ärzteschaft betrieben wurde. Für kleinere Kliniken, die keine Universitätskliniken sind, gibt es hier nur die Möglichkeit einer strategischen Allianz mit einer Privatuniversität.“

Das Landesklinikum Wiener Neustadt machte in der Vergangenheit gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit sowohl öffentlichen als auch privaten Universitäten, so Assadian. Insbesondere mit der DPU liefen die Dinge organisatorisch reibungslos ab, Projektanträge wurden schneller zugelassen und gemeinsame Vorhaben ließen sich aufgrund schlanker Strukturen schneller umsetzen.

Partnerschaft von Kliniken und Universitäten

Durch solche Partnerschaften erhalten Universitäten und Krankenhäuser einen besonderen Rang. So kooperiert zum Beispiel das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien mit der Medizinischen Universität Wien. Während das Gros des Personals von der Stadt Wien gestellt wird, stellt die Universität die Ärztinnen und Ärzte. „Privatuniversitäten können durch solche Allianzen Nischenbereiche abdecken, denen staatliche Universitäten nicht entsprechen können. Öffentliche und private Universitäten ergänzen sich auf diese Weise gegenseitig“, erklärt Dr. Wilhelm Marhold, ehem. Direktor des KAV. In einem gemeinsamen Projekt der DPU und der Medizinischen Universität Wien liefert die staatliche Universität eine enorme Datenmenge, wie sie nur eine öffentliche Universität zur Verfügung stellen könnte. Diese Datenmenge wird von der DPU ausgewertet, da diese die entsprechende Expertise und Kapazität dazu hat. Öffentliche und private Universitäten stehen somit nicht in Konkurrenz zueinander, sondern stellen vereint eine Bereicherung für die Forschungslandschaft dar.

Schnellere Erfolge durch Patientennähe

Auch Patienten-Vertretungen machten gute Erfahrungen mit privaten Universitäten, allerdings wünschen sich diese, frühzeitiger in die Forschung miteinbezogen zu werden. Da Universitäten oftmals theoretisch arbeiten, ohne Einbeziehung der Patientinnen und Patienten, kollidieren Theorie und Realität sehr oft miteinander. Eine frühzeitige Einbindung kann dies vermeiden und zu schnelleren Erfolgen führen. Weiters begrüßen Patienten-Vertretungen ein hohes medizinisches Niveau auch abseits der Ballungszentren. „Die medizinische Leistung sollte so nah wie möglich an die Patientin, den Patienten herangebracht werden. Diese Forderung kann gut durch Privatuniversitäten erfüllt werden“, so Angelika Widhalm, Vorsitzende des Bundesverbands Selbsthilfe Österreich.

Aktuelle Forschungsschwerpunkte

Entgegen der Annahme der Bevölkerung findet Forschung nicht nur an öffentlichen Universitäten statt, ein beachtlicher Teil der Publikationen stammt von privaten Institutionen, erläutert Univ.-Prof.in Dr.in Kyung-Eun Choi (DPU). Der Gründungsauftrag der Danube Private University liegt darin, Versorger und Medizinerinnen und Mediziner gezielt auszubilden und in spezifischen Bereichen voranzuschreiten.

Ein wichtiges Forschungsfeld der DPU ist die Versorgungsforschung. Essenziell hierfür ist die Patientenorientierung im Sinne der Koproduktion von Gewinn an Wissenszuwachs und der Legitimierung durch den Empathie-Gedanken. Im Forschungsfeld geht es darum, wie Versorgung bei den Patientinnen und Patienten ankommt und wie man Medizinerinnen und Mediziner nicht nur fachlich, sondern auch menschlich gut ausbildet. Weiters gilt es, zu erforschen, wie Neuerungen bei Patientinnen, Patienten und Ärztinnen, Ärzte wahrgenommen werden. Wie weit ist der Wille gegeben, Systeme zu modernisieren und Überholtes zu reformieren? In kleineren Einrichtungen wie einer Privatuniversität sind solche Ziele aufgrund engerer Kommunikation leichter umsetzbar.

Forschung bis zur Anwendung

Ein weiterer Schwerpunkt der DPU ist der Forschungsbereich der Quantenoptik. Zu diesem Forschungsfeld wurde unter der Leitung von Dr. Jakub Dostalek (DPU und AIT) eine internationale Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich auf die Erforschung von Biophotonik spezialisiert und an optischen Sensoren zur Identifikation von Biomarkern arbeitet. Erkenntnisse dieser Forschung werden in der Krebsdiagnostik genutzt. Dank dieser internationalen Arbeitsgruppe der DPU ist Niederösterreich global gut vernetzt und beschäftigt unter anderem auch Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus Japan oder Argentinien.

Die DPU forscht auch in Materialwissenschaften an Legierungen und Sensoren für die Krebserkennung, erzählt Univ.-Prof. Priv.-Doz. DI Dr. Christoph Kleber, Leiter Stabstelle Forschung & Entwicklung an derv DPU. Ausschlaggebend für die Nutzung der richtigen Materialien ist die Kenntnis über die entsprechenden Biomarker. Grundlegend für die Forschung ist die Fragestellung, wie man die minimalinvasiv ausgerichtete Sensorik ans Krankenbett bringen kann. Optimal wäre es, wenn Patientinnen und Patienten von zu Hause aus den Biomarker über Schweiß, Ausatemluft oder Harn selbst messen könnten. Die Schwierigkeit hierbei liegt darin, das gewünschte Singlemolekül auf den Sensor zu bekommen. Aufgrund der hohen Flexibilität der DPU kann sie hier schlagartig ihre Kompetenzen einbringen und auf spezielle Bedürfnisse eingehen.

Vor Kurzem wurde an der DPU ein Lehrstuhl für 3Rs (Replace, Reduce, Refine) und an New Approach Methodologies (NAMs)-Forschung errichtet. NAMs beschäftigt sich mit allen Alternativen zum Tierversuch, die für Risikoanalysen von Chemikalien und Toxizitätsanalysen geeignet sind. Diese Methoden werden ebenso für die biomedizinische Forschung, Erkrankungsmodelle sowie Kosmetik herangezogen. Die NAMs-Forschung ist Teil der Molekularen Diagnostik. Die DPU befindet sich in der günstigen Lage, nicht nur flexibel agieren, sondern auch innovativ sein zu können. Die neue Professur ist die erste dieser Art in Österreich. Die DPU ist hier Vorreiter und will es auch sein. „Gerade in diesem Forschungsbereich spielen viele verschiedene Stakeholder eine Rolle: Tierschutzorganisationen, Industrie, Zulassungsbehörden von Medikamenten, Regulierung von toxischen Antragstellungen sowie die Wissenschaft an sich. Alternativen zum Tierversuch zu finden, ist ein aktuelles, aber auch ein Zukunftsthema“, schildert Univ.-Prof. DI Dr. Winfried Neuhaus (DPU und AIT) die Forschungssituation.

Anhand dieses Forschungsgegenstandes beweist die DPU erneut ihre Stärke in zukunftsweisender Nischenforschung. Forschungsschwerpunkte der DPU werden danach ausgewählt, wie die vorhandenen Stärken optimal vereint werden können. Da die Forschungsprojekte nicht bei der Publikation des Papers enden, sondern nach Möglichkeit ein anwendbares Endprodukt entwickelt wird, ist eine Zusammenarbeit mit der Industrie essenziell. Dieses Zusammenspiel wirkt nochmals als eine Aufwertung des Standorts, da Bundesländer dadurch ihre Unternehmen stärken können. Öffentliche Universitäten haben im Gegensatz zu Privatuniversitäten weniger Möglichkeiten, ihre Forschung weiter in Richtung Produktreife zu treiben.

Problematik Gesundheitsdaten

Hon.-Prof. (DPU) Prof. Dr. Axel R. Pries, MD (DPU), President World Health Summit, weist darauf hin, dass in Österreich im Bereich der Versorgungsforschung großes Verbesserungspotenzial besteht, beginnend mit der Diagnosekodierung im niedergelassenen Bereich bis zur Publikation von Versorgungsdaten. Die Patientenorganisationen vertreten den Standpunkt, dass alle Gesundheitsdaten pseudonymisiert und nicht rückverfolgbar der Forschung zur Verfügung gestellt werden sollen. Allerdings ist die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten mangelhaft. Die Patientinnen und Patienten werden über die Verarbeitung ihrer Daten im Dunklen gelassen, die positiven Zwecke der Datennutzung werden nicht kommuniziert. 

 Man muss der Bevölkerung mitteilen, woran geforscht wird, welche Ergebnisse vorliegen und welche Auswirkungen diese auf die Patientinnen und Patienten haben. Sowohl private als auch öffentliche Universitäten sollten über Kommunikationsabteilungen verfügen, die regelmäßig Forschungsergebnisse in einer für den Laien verständlicher Sprache publizieren. Es herrscht ein Mangel an Vertrauen in die Institutionen, die Gesundheitsdaten erhalten und verarbeiten. Es muss verdeutlicht werden, dass es neben Datenschutz auch einen Datennutzen gibt. Die Bevölkerung ist bei großen Konzernen für Konsumgüter sehr freigiebig mit ihren Daten. Mit Gesundheitsdaten wird nicht so großzügig umgegangen. Ratsam wäre die Einführung eines „Daten-Credibility-Indexes“, der die Vertrauenswürdigkeit einer Institution nach transparenten Kriterien bewertet.

Aktueller Paradigmenwechsel

Österreich befinde sich in einem Paradigmenwechsel, konstatiert Pries weiter. Vor einigen Jahren noch war die kontinentaleuropäische Denkweise sehr staatsdominiert. Staatliche Institutionen wurden von diesem sowohl geschützt als auch finanziert. Heute haben sich die Ziele verändert. Im Fokus stehen Patientenversorgung, die Situation der Standorte und das Vorantreiben der Forschung. Selbstverständlich ist auch die Positionierung im internationalen Ranking von Bedeutung. Um im internationalen Vergleich bestehen zu können, müssen mehr Freiheiten und Wettbewerb erlaubt sein. Private Universitäten haben die Freiheit, zu gestalten, was für ihre Studierenden, für Patientinnen, Patienten und für die Forschung wichtig ist. Man braucht am Ausbildungs- und Forschungssektor mehr Demokratie der Methoden, um das Beste zu leisten. 

Die Ausbildung an Privatuniversitäten ist zwar kostenintensiv, allerdings werden den Studierenden Stipendien von unterschiedlichen Förderern, wie der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), dem Land Burgenland oder dem Land Niederösterreich angeboten. Diese Stipendien sind eine willkommene Methode, auch Studierenden aus Haushalten mit begrenzten Einkommen eine Ausbildung an einer Privatuniversität zu ermöglichen. Der freie Bildungszugang an öffentlichen Universitäten ist in der Realität auch nicht frei. Mehr als 90 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber für das Medizinstudium in Österreich scheitern an den Aufnahmebeschränkungen. Daneben spielt auch der Bildungsstand der Eltern eine große Rolle dabei, ob jemand den Weg einer universitären Ausbildung einschlägt. Die Kostenfrage eines Studienganges ist nicht maßgeblich ausschlaggebend.

Änderungen der Rahmenbedingungen

Private Universitäten fordern keine Unterstützung aus öffentlichen Geldern für den Regelbetrieb. „Kompetitive Förderungsgelder aus Forschungsförderungen sollen jedoch auch für Privatuniversitäten zugänglich sein. Wenn sich Projekte im Wettbewerb gegen andere durchsetzen, sollen diese vollfinanziert werden“, fordert abschließend Robert Wagner. Dies gilt sowohl für öffentliche als auch für private Institutionen. Instandsetzungen von Laboren für Forschungsarbeiten sollen durch Fördergelder gedeckt werden.

Momentan müssen Privatuniversitäten diese durch Studiengebühren querfinanzieren, bei öffentlichen Universitäten werden staatliche Mittel hierfür herangezogen. Auch die Phasen der Antragstellung eines Projektes sollen in der Finanzierung inkludiert sein. Durch diese finanzielle Erleichterung kann Anreiz bei Nachwuchswissenschafterinnen und Nachwuchswissenschaftern geschaffen werden, aktiv Forschung zu betreiben.

Die Förderlandschaft soll auch in Richtung angewandte Forschung erweitert werden. Forschung über das Modell hinaus wird kaum finanziert, obwohl gerade diese für die Wirtschaft, Hersteller und Auftragsempfänger interessant wäre. Für regulatorische Testungen ist ein wirtschaftlicher Partner in der Forschung unabdingbar. Zwischen privaten und öffentlichen Universitäten existiert immer noch eine gläserne Wand. Anstelle von Konkurrenz sollte Kooperation stehen. „Mehr privat, weniger Staat“ ist nicht zielführend, ein Bündeln der jeweiligen Stärken bringt jedoch die universitäre Landschaft in Österreich weiter voran. Privatuniversitäten sind Institutionen, die Geld verdienen und auch Geld verdienen müssen. Dennoch haben sie den Anspruch, Forschungsinstitutionen zu sein, die qualitätsgeleitete Forschung bieten und seriöser Partner anderer Institutionen sind.

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